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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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stimmt.
    »Entschuldigung, gibt es ein Problem?«, frage ich, als meine Einkäufe willkürlich in einen Beutel gestopft werden und das Wechselgeld auf die Ablage geworfen und mir nicht in die Hand gezählt wird.
    »Nun, sonst erledigt Ihr Mann das immer«, sagt die Kassiererin.
    »Ja, und?«, frage ich verständnislos und verärgert.
    »Na, so tot scheint er gar nicht zu sein, oder?«
    Ich bin noch nie in Ohnmacht gefallen, aber in diesem Moment stehe ich kurz davor. Ringsum wird es schlagartig still und mir unerträglich heiß. Meine Haut kribbelt, doch mein Körper ist nicht in der Lage, lindernden Schweiß zu produzieren. Ich blinzle dümmlich vor mich hin und versuche, das Geschehen zu verarbeiten. Ich werde dabei beobachtet, alle warten auf meine Reaktion. Der Gedanke, Howie zu verbergen, war mir nicht gekommen. Falsche Todesanzeigen und Irreführung sind Moms Fachgebiet, und sie selbst erinnert sich ja nicht einmal daran, die Anzeige aufgesetzt zu haben. Ich bin unsagbar verstört und beschämt und stürze aus der Apotheke. Das Wechselgeld bleibt liegen. Ich muss wohl an einen Ort ziehen, wo mich niemand kennt, nach St. John’s vielleicht, dort geht es geschäftiger zu, und niemand wird sich um meine albernen Angelegenheiten kümmern.
    Ich trotte langsam wieder heim. Meine Stiefel knirschen im Schnee. Wut staut sich in mir auf, mein Kopf beginnt zu pochen. Ich hasse meinen Mann und meine Mutter. Ich habe nichts falschgemacht, und trotzdem gelten mein Ehemann, der Betrüger, und meine Mutter, die Täuscherin, als Unschuldslämmer, während ich die Schuldige abgeben muss.
    Als ich nach Hause komme, ist es beinahe dunkel. Vom Dach her strahlt es festlich in Rot, Orange, Grün, Gelb und Blau, ein Plastikschneemann winkt mir zu, Zuckerstangen leuchten mir den Weg zur Hintertür. Einen größeren Kontrast zu meiner düsteren Stimmung kann es nicht geben. Wütend schlage ich die Tür hinter mir zu. Ich werde ein ernstes Wort mit meinem Mann reden und verlangen, dass er auf der Stelle verschwindet. Ich stürme ins Wohnzimmer. Howie kauert unter dem Weihnachtsbaum. Mom weist ihn an, den Baum ein paar Zentimeter nach links und dann wieder nach rechts zu schieben, ihn nach vorne und dann wieder nach hinten zu lehnen, um dreißig Grad zu drehen, was er alles pflichtgemäß tut, bis meine Mutter zufrieden ist. Quentin wühlt durch Kisten voller Weihnachtsschmuck, noch original aus der Zeit Christi, wie er dabei mürrisch grummelt. Der Geruch von frischer Tanne vermischt sich mit dem Duft von brennendem Kaminholz. Es sieht nach Weihnachten aus, es riecht nach Weihnachten, aber es scheint mir nicht mein Weihnachten zu sein. Es scheint mir nicht einmal meine Familie zu sein. Mir ist, als wäre ich zufällig in ein fremdes Haus gestolpert.
    »Prissy«, sagt Howie fröhlich und kriecht unter dem Baum hervor. Ich habe eine gefühlte Ewigkeit unbemerkt im Raum gestanden. »Du kommst gerade rechtzeitig, um uns beim Schmücken zu helfen.«
    »Ich habe Kopfschmerzen«, sage ich ausdruckslos. Die Schneeflocken, die sich in meinem Haar gesammelt hatten, sind zu kleinen Pfützen auf dem Boden geschmolzen.
    »Du hättest dir eine Mütze anziehen sollen«, sagt meine Mutter von fern, denn ich steige schon die Treppe hoch.
    Als ich wieder nach unten schleiche, um mir einen Tee zu machen, ist es fast Mitternacht. Im Wohnzimmer laufe ich Howie in die Arme. Ich vergesse leicht, dass er auf der Couch schläft, denn er steht immer sehr früh auf und verbirgt alle Spuren seines Schlafarrangements vor Mom, dabei bekommt sie sowieso nicht mehr viel mit.
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragt er. Er trägt ein schlichtes weißes T-Shirt und eine braun karierte Pyjamahose. Sein Haar ist gewachsen und steht an den Seiten ab. Ich widerstehe dem Drang, es glattzustreichen.
    Ich schüttle den Kopf.
    »Wie findest du’s?«, fragt er und schaltet die Lichter des Weihnachtsbaums ein. An jedem Zweig funkelt es farbig. Es ist schön, wirklich schön, aber das zu sagen bringe ich nicht über die Lippen.
    »Was ist los, Priss?«, fragt er, und ich könnte heulen, wenn er meinen Namen nonchalant abkürzt.
    Die Frage betrifft so vieles, wo soll ich anfangen? Bei seiner Affäre und seinem Wunsch, sich von mir scheiden zu lassen? Das ist fast schon zu lange her. Ich könnte ihm aber sagen, wie widersprüchlich ich es finde, dass er hier ist, und ich daran fast ersticke, und er mir das Gefühl gibt, in meiner eigenen Familie eine Außenseiterin zu sein, dass ich

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