Die Witwen von Paradise Bay - Roman
Freunde bei der Regierung hat, aber nicht, dass es einflussreiche Abgeordnete sind.
»Roger«, sagt Fred und zeigt auf mich, »das ist Lottie, von der ich dir erzählt habe.«
»Sie gehören also zu den Witwen, die eine Selbsthilfegruppe gründen wollen«, sagt Mr. Parsons.
Ich starre ihn mit offenem Mund an und versuche zu verstehen, was hier vor sich geht. Offensichtlich hat Fred diesen Besuch arrangiert und nicht das Schicksal seine Hand im Spiel. Ich nicke. »Ja, Sir«, sage ich.
Ich warte widerwillig darauf, dass er mich nach Ches fragt, aber er erspart mir diese Peinlichkeit. »Wie schlägt sich Ihre Tochter?«
Marianne erscheint vor meinem geistigen Auge. Sie ist viel hübscher, als ich in ihrem Alter war, schlank und athletisch, nicht so rund und weich. Manchmal glaube ich, dass sie gut ohne ihren Vater zurechtkommt, doch meistens mache ich mir Sorgen um sie. Ich habe Angst, dass es ein Gen für Depressionen gibt und Marianne es geerbt hat, dass es in ihrem Gehirn schlummert und nur auf den richtigen Moment wartet, sie in den Abgrund zu stürzen. Ich frage sie ständig, ob sie sich traurig oder überfordert fühlt, müde ist und Schlafprobleme hat. Sie seufzt immer, verdreht die Augen und entgegnet, dass sie nicht vorhabe, sich umzubringen. Trotzdem sorge ich mich jedes Mal, wenn Marianne lange schläft, ob dies das typische Verhalten eines Teenagers oder das Vorzeichen für etwas Schlimmeres ist. Und wenn Marianne klagt, dass sie zu viele Hausaufgaben erledigen muss, setze ich mich neben sie an den Küchentisch und rate ihr, eine Pause zu machen.
»Ich mache mir ihretwegen Sorgen«, antworte ich wahrheitsgemäß, »aber sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie hat eine eigene Duftlinie entwickelt, Lufterfrischer und Parfums, und wird sie wohl nächstes Jahr auf dem Markt verkaufen. Wer weiß?«
Mr. Parsons lächelt mich herzlich an. »Ich halte dort Ausschau nach ihr. Bei so einer Mutter kann ja nichts schiefgehen!«
Roger Parsons kennt mich nicht, dennoch klingen seine Worte aufrichtig. Deswegen wird er wohl immer wieder gewählt.
»Sie haben etwas für mich?«
»Ich habe Ihre Bestellung noch gar nicht aufgenommen«, sage ich nervös, »aber die Küche ist schnell. Interessieren Sie sich für das Tagesgericht?« Er kichert. Aber warum?
»Ich meinte den Antrag«, klärt mich Roger Parsons auf. »Fred hat gesagt, Sie hätten ihn.«
Ich seufze vor Erleichterung und ziehe den Antrag aus meiner Tasche. Er sieht sehr professionell aus, mit seinem ordentlichen Kartoneinband und den schneeweißen Bögen, die von einer schwarzen Ringbindung zusammengehalten werden. Ich habe schon jetzt das Gefühl, etwas Wichtiges erreicht zu haben, ob wir nun Geld bekommen oder nicht. Mr. Parsons wechselt noch rasch einige freundliche Worte mit den anderen Gästen und hört sich Klagen über Schlaglöcher, schlechte Straßenbeschilderung und Schneemobilpfade an.
»Ich melde mich bei Ihnen, Lottie«, sagt er. »Drücken Sie uns die Daumen.«
»Ich wusste nicht, dass du Roger Parsons kennst«, sage ich zu Fred, als sich meine Aufregung gelegt hat.
»Roger hat mir damals mit dem Regionalmarkt sehr geholfen. Er ist ein feiner Kerl, er meint es ernst, es geht ihm tatsächlich um unsere Region.«
Ich empfinde Fred gegenüber eine große Dankbarkeit. Er hat so viel für uns getan, aber ich habe ihn ja in die Sache hineingezogen. Ob er erwartet, dass Georgia auf die Knie fällt, wenn sie davon hört? Vor ihrem Heiland und Retter? In Wirklichkeit wird Georgia wohl die Flucht ergreifen, wenn sie erfährt, welch wichtige Rolle Fred bei der Antragstellung gespielt hat.
»Ich hab Georgia noch nicht gesagt, dass du uns mit dem Antrag geholfen hast.«
»Soll mir recht sein«, erwidert Fred lächelnd.
»Ich dachte, du hättest das für Georgia getan. Damit sie glücklich und dankbar ist und ein wenig in deiner Schuld steht.«
»Um Himmels willen, nein.« Er schüttelt den Kopf.
»Für wen dann? Wohl kaum für mich.«
Fred setzt sich seine Wollmütze, die er während des Frühstücks mit Roger Parsons abgenommen hatte, auf den Kopf. Er zuckt mit den Schultern. »Tja, ich schätze, für Joseph. Er hätte gewollt, dass ich mich um seine Frau kümmere, anstatt mir zu wünschen, dass sie sich in Luft auflöst.«
»Und was wirst du jetzt tun?«
»Jetzt warten wir darauf, dass Roger den Ball zum Laufen bringt.« Fred zieht einen zerknitterten Zwanzigdollarschein aus der Tasche. »Es wird wohl ein paar Wochen dauern. Das sollte
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