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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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mich nach seiner Rückkehr wieder alleine um meine senile Mutter kümmern muss, die mir dann Fragen stellen wird, die ich nicht beantworten kann. Ich könnte ihm auch sagen, dass ich meinen Sohn so schrecklich vermissen werde, dass sich jetzt schon eine Leere in meinem Innern auftut. Doch schließlich berichte ich Howie nur von meiner jüngsten unangenehmen Erfahrung.
    »Die ganze Stadt weiß, dass du nicht tot bist.«
    Ich hatte ein schadenfrohes Grinsen oder einen Geschieht-dir-recht-Blick erwartet, aber zu meinem Erstaunen wirft Howie den Kopf in den Nacken und lacht aus vollem Halse. »Ach deshalb gucken mich alle so komisch an. Scheiße.« Er lacht wieder, offenbar ist ihm gerade etwas sehr Lustiges eingefallen. Ich kann mir vorstellen, wie die Leute reagieren. Wahrscheinlich bekreuzigen sich die älteren Frauen bei seinem Anblick, Kinder zeigen auf ihn, und andere berühren Howie vorsichtig am Arm und prüfen, ob ihre Hand durch ihn hindurchgleitet.
    »Wir könnten behaupten, ich sei mein Zwillingsbruder«, schlägt er vor. »Dass wir bei der Geburt getrennt wurden. Und du nichts davon wusstest.«
    Wider Willen muss auch ich lachen. Wenn meine Mutter im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte wäre, hätte sie diese Fassung wahrscheinlich längst verbreitet. »Lieber nicht«, sage ich, aber ich lächle.
    »Ich war kryotechnisch eingefroren und wurde wiederbelebt?«
    Ich schüttle heftig den Kopf. »Äh-äh. Für hier viel zu futuristisch.«
    »Ich habe meinen Tod vorgetäuscht, um die Lebensversicherung zu kassieren?«
    »Hmm.« Ich lächle und lege einen Finger ans Kinn, als ob ich ernsthaft über seinen Vorschlag nachdenken würde. »Das ist keine schlechte Idee.«
    »Hat deine Mutter wirklich rumerzählt, ich hätte Hodenkrebs?«
    »Ja, hat sie«, gebe ich zu. »Sie hat allen gesagt, man hätte dir die Eier entfernt.«
    Howie lacht wieder lauthals. »Deine Mutter ist echt ’ne Nummer.«
    »Allerdings.« Ich unterdrücke ein Gähnen. »Ich glaub, ich leg mich wieder hin«, sage ich und strecke die Arme wie eine Katze über den Kopf.
    »Gute Nacht, Liebes«, sagt Howie. Ich erstarre in meiner Bewegung. Das hat so selbstverständlich geklungen, als wären die Monate voller Kummer bloß ein langer Alptraum gewesen.
    Dann wird ihm bewusst, was ihm herausgerutscht ist, und er wird rot. »Tut mir leid«, sagt er verlegen. »Das war ganz automatisch … ich …«
    Gerne würde auch ich wie früher sagen, Nacht, Schatz , aber ich drehe mich wortlos um und gehe nach oben.

Kapitel 34
    Georgia
    In den ersten Tagen und Wochen nach Josephs Tod kam weiterhin Post für ihn, als wäre nichts geschehen: Auf dem Esstisch stapelten sich Telefonrechnungen, die Kabel- und Stromrechnung, Kontoauszüge und Kreditkartenabrechnungen. Alles lief auf Josephs Namen. Niemand wusste, dass er tot war, weil ich es niemandem mitgeteilt hatte. Ich genoss es, seinen Namen auf offiziellen Schreiben zu sehen. So konnte ich einen Moment lang vergessen, dass er nicht am Ende eines harten Arbeitstags nach Hause kommen, die Post anschauen und über die vielen Rechnungen klagen würde.
    Aber auch die Umstellung auf meinen Namen bedeutete nicht, dass Joseph keine Post mehr bekam, es geschah nur seltener. Er erhielt immer noch Angebote für Kreditkarten, Broschüren über Heizungssysteme und neue Fenster, und am 26. eines jeden Monats lag seine Hockey News im Kasten. Als es Zeit war, das Abonnement zu verlängern, füllte ich das Formular aus und schickte es zurück. Das tat ich drei Jahre lang, bis ich die Zeitschrift endlich kündigte. Nach einer Weile kam nur noch kleckerweise an ihn adressierte Post. Der nächste Termin zur Zahnreinigung stand an. Die Werkstatt in Carbonear erinnerte daran, die Winterreifen aufziehen zu lassen. Jedes Mal, wenn ich Post für Joseph aus dem Briefkasten holte, machte mein Herz einen hoffnungsvollen Satz, und eine Sekunde lang dachte ich, er wäre vielleicht doch nicht tot.
    Als nun aber ein Schreiben von Avalon Ford kommt, um Joseph ein tolles Angebot für seinen gebrauchten Geländewagen zu machen, bin ich außer mir vor Wut. Gerade der Autohändler sollte doch wissen, dass der Wagen vor fünf Jahren ein Totalschaden war! Führt dort niemand über solche Dinge Buch? Ich erledige den Anruf, den ich schon so oft erledigt habe, und hoffe und bete, es möge der letzte sein. Joseph Reid ist verstorben. Bitte löschen Sie seinen Namen aus Ihrem Verteiler.
    Der Geländewagen, in dem Joseph starb, war nagelneu, es war sein

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