Die Witwen von Paradise Bay - Roman
fürs Frühstück reichen«, sagt er und geht.
Aber meine Frage hatte sich gar nicht auf unseren Antrag oder den zeitlichen Ablauf oder Roger Parsons bezogen, sondern auf Georgia.
Kapitel 33
Prissy
»Möchtest du Weihnachten mit Quentin verbringen?«, fragt Howie, bevor er ihn zu dem richterlich verordneten Seminar bringt. Der Gerichtstermin scheint Monate her zu sein.
Mir kommt diese Frage so dämlich vor, dass ich eine Falle vermute: Wenn ich wie erwartet antworte, sage ich auch Ja zu etwas Unangenehmem. Mein Zögern verärgert Howie. »Das ist eine simple Frage, Prissy«, seufzt er.
Tatsächlich? Die letzten beiden Wochen mit Howie waren ein einziges Taktieren, als spielten wir eine besonders langwierige Schachpartie. Ich habe seine Züge analysiert, er meine. So bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Howie zwar nicht von Schuldgefühlen, aber etwas Ähnlichem, womöglich einem tiefen Pflichtgefühl, durchdrungen ist. Warum sonst meint er, er müsste jeden Tag mit meiner Mutter aufstehen und dafür Sorge tragen, dass sie gewaschen, angezogen und gefüttert wird? Außerdem schaufelt er bei der geringsten Menge Schnee die Auffahrt frei. Er hat meine Rechnungen schon bezahlt, bevor ich sie aus dem Briefkasten holen kann, Vorratskammer und Kühlschrank sind mit Moms Lieblingskeksen, -marmeladen und -gelees gefüllt. Und nachdem meine Mutter von irgendeinem englischen Tee, den es vor vierzig Jahren gab, geschwärmt hatte, wurde er am nächsten Tag per Kurier geliefert. Howie war im Internet fündig geworden. Es hatte ihn auch nicht beeindruckt, dass Mom nach nur einem Schluck erklärte, der Tee würde nicht wie damals schmecken, und nach einer Tasse Beuteltee verlangte.
Nach dem Abendessen setzt er sich regelmäßig zu meiner Mutter in die Küche und hört sich aufmerksam Geschichten an, die er schon hunderte Male gehört hat. Er weist sie nicht zurecht, wenn sie so tut, als wäre mein Vater noch am Leben oder Quentin ein Baby. Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt weiß, wer Howie ist. Sie ist immer öfter verwirrt, aber diese Phasen gehen auch rasch wieder vorbei. In einem Atemzug fragt sie nach Artie, im nächsten wirkt sie wieder vollkommen klar und präsent. Einzig meine Eheprobleme scheint sie aus dem Gedächtnis gelöscht zu haben, und darum beneide ich sie.
»Natürlich möchte ich Weihnachten mit meinem Sohn verbringen«, sage ich schließlich. »Wo ist der Haken?«
»Du liebe Güte, Prissy, da ist kein Haken. Deine Mutter braucht Pflege, du kannst hier im Moment schlecht weg. Die Ferien beginnen in kaum vierzehn Tagen, wir sind sowieso schon hier, und da dachte ich, könnten wir gleich bis zum Ende der Ferien bleiben.«
»Wir?«, frage ich. » Du brauchst nicht zu bleiben, Howie.«
Er wirft mir einen ärgerlichen Blick zu. »Ich würde auch gerne die Feiertage mit meinem Sohn verbringen.«
»Ich verspreche dir, dass er nicht wieder in Schwierigkeiten gerät.«
»Und wie sieht es aus mit deiner Mutter?«
Howies Fürsorge für meine Mutter macht mich wahnsinnig. Natürlich weiß ich seine Mühen zu schätzen, aber was passiert, wenn er wieder nach Hause fährt?
»Sie ist nicht dein Problem, also hör auf so zu tun, als würde es dich berühren. Wir wissen beide, dass du bloß dein schlechtes Gewissen beruhigen willst. Du tust das, damit du dich besser fühlst, und machst damit alles nur noch schlimmer – wenn du irgendwann wieder fährst, muss ich ihr nämlich erklären, warum. Je früher du verschwindest, umso besser.«
Howie zieht eine finstere Miene und ballt die Fäuste, aber er erwidert nichts. Ich war doch nicht zu hart oder undankbar? Nein, ich war aufrichtig.
Als Howie einige Stunden später von Quentins Seminar heimkehrt, bindet er einen Weihnachtsbaum vom Autodach los und lehnt ihn zum Trocknen an die Hauswand. Dann verbringt er anderthalb Stunden auf dem Dachboden und kommt mit Schachteln voller Weihnachtsschmuck wieder nach unten. Er zaubert Zuckerstangen aus Plastik hervor, überdimensionierte Schneemänner, die blinken und winken, einen Weihnachtsmann, der »Ho-Ho-Ho, Merry Christmas« sagen kann, wenn man auf seine Nase drückt, Plastikkränze aus glänzendem Ilex und jede Menge sonstige grellbunte Dekoration. Er bereitet Heiligabend vor, als hätte ich mit Jubel auf seine Ankündigung zu bleiben reagiert und vorgeschlagen, daraufhin ein zünftiges Fest zu feiern.
Und dann will Howie sogar Weihnachtslichter am Hausdach anbringen – ich bin perplex. Bei uns hatte er sich
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