Die Witzekiste
Tagen. Er kann seinen Patienten jedoch nicht warnen, da er weder seine Telefonnummer noch die Adresse kennt.
Zwei Wochen später ist der Mann wieder in der Praxis. »Wie war Ihr Rendezvous?«, fragt der Arzt etwas besorgt.
»Phantastisch« , antwortet der Mann, »fünfzehn Mal hintereinander.«
»Toll« , sagt der Arzt, »aber wie ging es der armen Frau?«
»Die war gar nicht da« , entgegnet der Mann.
Danach können Sie die Zuhörer risikolos sich selbst und ihren eigenen Witzen überlassen.
LENTZ/THOMA
1990 – 1998
Das letzte Jahrzehnt dieser fünfzig Jahre Bundesrepublik lässt sich nicht ohne weiteres an den Zug der Zeit ankoppeln. Es fällt aus dem Rahmen. Das letzte Jahrzehnt des Jahrtausends wird durchweht von Endzeitstimmungen und geprägt vom internationalen Aufbruch in die Globalisierung. Die Zukunft erscheint ungewiss, vielen auch bedrohlich.
Wenn früher überschwänglich vom Wirtschaftswunder die Rede war, so ereigneten sich jetzt wirklich politische Veränderungen, die Wundern glichen. Die deutsche Vereinigung, der Ost und West zustimmten, gehörte dazu, und die Bankrotterklärung einer Weltmacht wie der Sowjetunion ohne militärischen Zwang erst recht.
Die Wiedervereinigung beendete die Idylle einer kleinen Republik ohne weltpolitischen Ehrgeiz. Deutschland wurde ein anderes Land. Der Schriftsteller Patrick Süskind schrieb dazu 1990 für ein Buch von Ulrich Wickert, aus dem der ›Spiegel‹ zitierte: »Man lebt nicht jahrzehntelang in einem Provisorium – schon gar nicht in einem so prächtig gedeihenden, schon gar nicht als junger Mensch –, und wenn in den Sonntagsansprachen von ›unseren Brüdern und Schwestern in der Zone‹ die Rede war oder man uns nach dem Bau der Berliner Mauer aufforderte, zum Zeichen der nationalen Solidarität nächtens ein Adventslichtlein ins Fenster zu stellen, so kam uns das ebenso lächerlich und verlogen vor, als würde man von uns Heranwachsenden im Ernst verlangen, einen Stiefel in den Kamin zu stellen, damit der Nikolaus uns Schokolade hineinwürfe. Nein, die Einheit der Nation, das Nationale überhaupt war unsere Sache nicht … Ob die Deutschen in zwei, drei, vier oder einem Dutzend Staatenlebten, war uns schnuppe. … Verdattert wie die Kühe, denen man ein lang verschlossenes Gatter aufsperrt, standen und stehen wir da und glotzen in die neue Richtung und scheuen uns, sie einzuschlagen. … »Moment!«, sagen wir, »Augenblick mal!«, und reiben uns verblüfft die Augen, »was ist hier eigentlich passiert? Wie geht es weiter? Deutsche Einheit? Wieso das? Wozu? Wollen wir das überhaupt?«
Dreißig Jahre vorher hatte der Schriftsteller Paul Sethe, alles andere als ein Nationalist, in der Zeitschrift ›Magnum‹ geschrieben: »Aber was die Bundesrepublik als Machtstaat und Wirtschaftsorganisation gewinnt, muss das deutsche Volk als Nation teuer bezahlen. Die Frage wird noch kommende Geschlechter beschäftigen, ob der Preis nicht zu hoch gewesen ist, ob nicht die Einheit der Deutschen, ob nicht die Freiheit und das Glück von siebzehn Millionen Landsleuten für den Gewinn an Souveränität und Macht im westdeutschen Staat geopfert worden sind.«
Inzwischen reagierten die meisten Deutschen wie Patrick Süskind auf die nationale Einheit: aufgestört und beunruhigt. Sie wollten eigentlich »keine Experimente«, wie schon ein Wahlslogan bei Adenauer hieß.
Der Witz stellte sich eher indirekt auf die neue Situation ein. Zukunftssorgen drückten sich ungenauer und diffuser aus. Wie in dieser Geschichte aus den zwanziger Jahren, die plötzlich wieder aktuell wurde. Sie beschreibt die Hilflosigkeit eines Menschen, der gar nicht der ist, der er sein soll:
»Mensch , Ornstein , was ist denn mit dir los?«, ruft aufgeregt ein Spaziergänger, der auf der Hauptstraße einem alten Bekannten begegnet. »Früher warst du dick, jetzt bist du mager, früher warst du groß, heute bist du klein! Früher hattest du eine Glatze, jetzt hast du Haare …«
Sagt der andere: »Ich heiße gar nicht Ornstein.«
»Was ? Ornstein heißt du auch nicht mehr?«
Die Zahl der Arbeitslosen stieg schon 1991 auf über drei Millionen, und die Nationalstaaten starrten ziemlich hilflos auf eine mehr und mehr in andere Länder ausweichende Wirtschaft, die sich damit auch nationalen Gesetzen entzog.
Die hohe Arbeitslosigkeit konnte durch neue Aufschwünge der Wirtschaft kaum noch abgebaut werden. Die technische Revolution der Automatisierung kam fast ohne Arbeiter aus. Und bei
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