Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Recovery Plan« wurde 1987 verabschiedet. Er empfahl, Wölfe in Yellowstone wieder anzusiedeln. Der US-Senat stellte Mittel zur Verfügung, um die Auswirkungen einer solchen Rückführung zu erkunden. 1990 wurden die ersten beiden Berichte »Wölfe für Yellowstone?« dem Kongress vorgelegt, der 1991 die Vorbereitung eines Environmental Impact Statement (EIS) anordnete (eine Untersuchung darüber, welchen Einfluss neu angesiedelte Beutegreifer auf die Umwelt haben).
Der EIS-Entwurf wurde am 1. Juli 1993 der Öffentlichkeit vorgestellt. Er führte zu einer unerwarteten Anzahl Briefe, Faxe und E-Mails der Bevölkerung – insgesamt 160.000. Nach Berücksichtigung aller Stellungnahmen der Betroffenen und nach Ausarbeitung spezieller Regeln für die Ansiedelung einer »nicht notwendigen experimentellen« Wolfspopulation unterschrieb am 15. November 1994 Innenminister Bruce Babbitt die Genehmigung für das Wiederansiedlungsverfahren. Damit war der Weg frei für die Rückkehr der Wölfe nach Yellowstone.
Rückkehr der Wölfe
Während die Sonne langsam am Horizont aufgeht, nähere ich mich der Buffalo Ranch, einer Ansammlung von winzigen Blockhütten, die in der Mitte des Lamar Valley liegt.
Die Temperaturen sind inzwischen auf erträgliche minus zehn Grad Celsius angestiegen. Als ich zum kleinen Parkplatz im hinteren Teil der Buffalo Ranch hinauffahre, sehe ich Licht im Gemeinschaftsgebäude. Die kalte Luft riecht nach Kaffee. Die Angestellten des Yellowstone-Institutes bereiten schon alles für den Unterricht vor. Ganzjährig hält hier die Yellowstone Association Seminare ab zu allen erdenklichen Themen wie »Leben mit Wölfen in Wyoming«, »Wildblumen von Yellowstone«, »Karten und Kompass«, »Naturfotografie« oder auch »Winter-Ökologie«. Ich komme gerne hierher und nehme an Kursen teil. Der Unterricht im kleinen Blockhaus – mit Panoramablick auf das Lamar Valley – macht Spaß und man trifft die unterschiedlichsten Menschen. Aber diesmal bin ich nicht zu einem Kurs hier, sondern ich habe mich zu einer Wanderung zum Akklimatisierungsgehege des Rose-Creek-Rudels entschlossen. Es ist das einzige Gehege, das noch steht – hauptsächlich als metallenes Denkmal an die Rückkehr der Wölfe.
Auf dem Parkplatz schnalle ich meine Schneeschuhe an, denn von nun an gibt es keine festen Wege mehr. Der Trail führt hoch in die Berge, und obwohl vor mir schon einige Wanderer hier entlang gegangen sind, muss ich aufpassen, mich nicht zu verlaufen, denn der viele Neuschnee, der in der Nacht fiel, hat die Spuren der vorherigen Tage fast zugeweht. Mit einem Picknick und ausreichend Trinkwasser im Rucksack mache ich mich auf den Weg. Anfangs muss ich noch kleinere Umwege laufen, wenn sich die Bisons mitten auf den Trail gelegt haben. Sie sehen friedlich aus, diese riesigen dunklen Ungetüme, wie sie dort im Schnee liegen. Aber ich weiß, dass sie sehr wütend werden können, wenn man sie reizt oder stört, und ich will es nicht darauf ankommen lassen. Immer wieder wird ihre Toleranz auf eine harte Probe gestellt. Vor einigen Jahren beobachtete ich, wie ein Vater versuchte, seine kleine Tochter auf den Rücken eines grasenden Bisons zu heben, um ein Foto zu machen. Nur ein schneller Sprint zum nahe gelegenen Auto konnte ihn noch vor dem wütenden Tier retten. Wir Zuschauer mussten unser Lachen unterdrücken, als sich bei der anschließenden Attacke des Tieres auf das Auto des vorwitzigen Touristen mit heftigem Zischen der Airbag öffnete ...
Für meine Bisons gibt es heute keinen Grund für einen Angriff, denn ich halte respektvoll Abstand und gehe langsam meines Weges. Der eben noch breite Trail wird immer schmaler und schlängelt sich über weite Bergwiesen, die nun unter einer dicken Schneeschicht verborgen liegen, in die Höhe. Gelegentlich komme ich an einem Baum mit langen Rillen in der Rinde vorbei. Das sind Kratzspuren von Bären. Jetzt im Winter besteht normalerweise keine Gefahr, von Meister Petz überrascht zu werden, da er in tiefer Winterruhe liegt. Dennoch kann es vorkommen, dass ein Grizzly vorzeitig seine Höhle verlässt, weil es – dank der Wölfe – auch in dieser unwirtlichen Jahreszeit ein vielfältiges Nahrungsangebot gibt. Darum habe ich auch sicherheitshalber mein Pfefferspray griffbereit. Im Sommer ist das Gebiet oberhalb der Buffalo Ranch auch Grizzly-Gebiet. Dann sollte man nicht allein, sondern stets mit mehreren Personen wandern.
Der Schneeschuhpfad zum Rose-Creek-Gehege ist länger
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