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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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viel scheuer geworden.
    Plötzlich sehe ich aus dem linken Augenwinkel einen Schatten. Während ich automatisch auf die Bremse trete und der Wagen im Schnee leicht ins Rutschen kommt, springt von einer Anhöhe neben mir ein dunkler Wolf auf die Straße, direkt vor mein Auto. Ein weiterer Sprung und er ist auf der anderen Seite. Dort bleibt er stehen und schaut mich an. Es ist ein junges Tier, vielleicht ein Jahr alt, und er hat kein Radiohalsband. Ich vergesse Zeit und Raum, während er mich neugierig mustert. Meine Kamera liegt schussbereit auf dem Beifahrersitz, aber ich wage nicht, mich zu rühren, um den Zauber nicht zu zerstören. Der Wolf setzt sich hin, kratzt sich hinter dem Ohr, gähnt, schüttelt sich und läuft gemächlich auf ein kleines Espen-Wäldchen zu, in dem er verschwindet. Noch immer sitze ich tief berührt und unbeweglich in meinem Auto. Erst langsam kann ich mich aus meiner Verzückung lösen.
    Wenngleich ich in Yellowstone in den letzten Jahren fast täglich Wölfe gesehen habe, ist dieser Augenblick etwas Besonderes für mich. Weder Zuschauer, klickende Kameras noch eine Reihe Spektive. Nur der Wolf und ich, in der klirrenden Einsamkeit des Montana-Winters. Und während ich durch das geöffnete Fenster in den Bergen ein Wolfsrudel heulen höre, denke ich darüber nach, wie es früher hier war, als es noch keine Wölfe gab.
     
    Wölfe lebten einst auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent von der arktischen Tundra bis ins südliche Mexiko. Lange bevor das Eis schmolz, vor 10.000 bis 15.000 Jahren, zogen sie durch das Gebiet der Rocky Mountains. Versteinerungen des Grauwolfes ( Canis lupus ) wurden in Idaho, Montana, Utah und Wyoming gefunden und stammen vom Ende der letzten Eiszeit. In der Natural-Trap-Höhle östlich von Yellowstone gibt es Fossilien, die auf die Präsenz von Wölfen seit über 4.000 Jahren hinweisen. In der Lamar-Höhle fand man 1.300 Jahre alte Wolfsknochen. Die Funde bestätigen auch, dass es seit der letzten Eiszeit hier Bisons und Hirsche gab.
    Der Nördliche Rocky-Mountain-Wolf ( Canis lupus irremotus ), einer von 23 anerkannten Unterarten, durchstreifte das Land vom südlichen Idaho und Wyoming bis zum südöstlichen British Columbia und südlichen Alberta in Kanada.
    Auch das Gebiet des heutigen Yellowstone-Nationalparks war die Heimat der Grauröcke. Die frühen Trapper und Forscher sahen und hörten schon 1836 Wölfe im Lamar Valley.
    Als 1872 der amerikanische Kongress Yellowstone zum ersten Nationalpark Amerikas ernannte, wollte er ursprünglich nur die Landschaft schützen, an die Tiere dachte damals noch niemand. Man ging davon aus, dass die natürlichen Ressourcen den Menschen dienen sollten und entsprechend ausgebeutet werden durften. Besonders Beutegreifer wie Wölfe und Bären galten als gefährlich, sie galt es, zu vernichten.
    Mitte des 19. Jahrhunderts zogen die großen Einwandererströme in den Westen der USA. Die neuen Siedler – die meisten von ihnen aus Europa – kamen zum ersten Mal in ihrem Leben in Kontakt mit riesigen Herden von Wildtieren, die sie auch prompt dezimierten. Insbesondere um Bisonfelle und -zungen entwickelte sich eine ganze Industrie, die manchen geschickten Jäger sehr reich machte. So wurden schließlich zwischen 1850 und 1870 über 75 Millionen Bisons getötet, die meisten wegen ihres Fells. Der dramatische Anstieg von felllosen Bisonkadavern führte zu einer Explosion der Beutegreiferpopulation. Die Siedler ersetzten die ausgerotteten Wildtierherden durch Nutztiere, vor allem Rinder und Schafe. Die Wölfe waren mangels natürlicher Beute gezwungen, sich Alternativen zu suchen, um zu überleben. Damit begann der Krieg der Rancher gegen die Beutegreifer.
    In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden Wölfe in einem Umfang vergiftet, wie man es sich heute nur schwer vorstellen kann. Es entstand der Beruf des »Wolfers«, ein Jäger, der auf das Töten von Wölfen spezialisiert war. Er konnte von der Prämie, die für jeden getöteten Wolf ausgelobt wurde, gleich zweimal profitieren: durch den Verkauf des Fells und die Einnahmen von drei Dollar für jeden toten Wolf. Wenn er in der Wintersaison hart arbeitete, verdiente er bis zu 2.000 Dollar – für damalige Verhältnisse eine riesige Summe.
    Zu Beginn des Winters stellten die Wolfer Fallen auf oder sie trieben die Tiere mithilfe von Hunden in die Enge und erschossen sie. Am besten tötete jedoch Strychnin, das jeder Wolfer mit sich führte. Ein Kadaver, der mit einer

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