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Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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eines Tages in der CHRONIK lesen würden. Sie selbst aber vergaßen die Inhalte der Seiten, sobald sie aus ihrer Trance erwachten. Den Schmerz und die nicht grundlos angezettelten Kriege, alles, was die Welt in Atem hielt, erlebten sie nur während der Niederschrift. Danach verblaßten die Eindrücke, zu denen ihr besonderes Talent ihnen Zugang verschaffte .
    Noch bevor Baghdi die nächstgelegene Stube erreichte, drang ein Schrei daraus hervor. Obwohl er von der geschlossenen Tür gedämpft wurde, ließ er nicht nur Baghdi, sondern auch die beiden anderen Schreiber zurückprallen.
    »Mala!«
    Baghdi überwand sein Zögern. Mit ausgreifenden Schritten erreichte er die Tür. Es gab keine Schlüssel oder Riegel, dennoch hatte er beim Öffnen für einen kurzen Moment das Gefühl, als leiste die Tür Widerstand. Als versuchte ihn etwas am Betreten der Stube zu hindern.
    Mala war jüngst erst zu ihnen gestoßen. Ihr Geschlecht spielte nur eine untergeordnete Rolle. Sexualität hatte in dem Dasein, das sie fristeten, keinen Platz. Nicht ein einziger von ihnen besaß auch nur eine verschwommene Erinnerung an Lust oder gar Wollust. Wären sie dazu noch fähig gewesen, wäre das beengte Zusammenleben unerträglich gewesen. Denjenigen, die sie ausgesucht und hierher geholt hatten, war dies bewußt gewesen, und so hatten sie Vorsorge getroffen, indem sie die Gefühle der Schreiber kastrierten. Weder Baghdi noch ein anderer war in der Lage, sie dafür zu hassen. Etwas, was man nicht kannte, empfand man nicht als Verlust .
    Baghdi überwand seine Irritation. Er riß die Tür auf.
    Mala ruderte verzweifelt mit den Armen. Aber es war fraglich, ob sie Baghdi überhaupt wahrnahm. Ihr war die Sicht verdeckt.
    Von einer Gestalt in roter Robe.
    Baghdi kannte die Robenträger. Sie versorgten sie mit allem Lebensnotwendigen. Zumindest hatten sie das früher getan.
    Die Absicht von diesem jedenfalls war nicht mißzuverstehen: Er brachte Mala um!
    Er erwürgte sie!
    Und weder Baghdi noch die nachstürmenden anderen Schreiber konnten ihn daran hindern. Im Gegenteil.
    Nach Mala wandte er sich ihnen zu. Und mit einer Hellsichtigkeit, die er sonst nur beim Schreiben der CHRONIK bewies, glaubte Baghdi zu begreifen, warum nur noch Terentius und Gordon zu ihm ins Skriptorium gestürmt waren.
    Bei den anderen ist der Rote schon vorher gewesen!
    Nicht nur Mala - sie alle sollten grundlos umgebracht werden!
    Wirklich grundlos?
    *
    Yakshamalla, zur selben Stunde
    Noch vor Morgengrauen schrak Goprum aus bleiernem Schlaf.
    Er war allein. Das Innere der Hütte war dunkel, und sein erster wacher Gedanke galt der Frage, ob sie Sugriva geholt hatten - ob das hinterhältige Komplott, das er angezettelt hatte, geglückt war .
    Jemand hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür.
    Goprum erhob sich hölzern.
    Von draußen erklang Marathes Stimme, die Stimme seines Mitverschwörers: »Mach schon auf! Schnell! Wir müssen von hier verschwinden ...!«
    Goprum fluchte gereizt. Marathe mußte den Verstand verloren haben. Wenn er so weitermachte, würde er noch das ganze Dorf aufwecken.
    Er schob den Riegel zurück. Die Tür schwang auf, und Marathes Faust schloß sich um Goprums Hemdkragen.
    »Bist du ...?«
    Weiter kam Goprum nicht. Marathe zerrte ihn ins Freie, wo ihm klar wurde, daß er vermutlich der letzte gewesen war, der in Yaks-hamalla noch geschlafen hatte.
    Überall rannten Menschen durcheinander. Sie gestikulierten wild in dieselbe Richtung, in die auch Marathe zeigte.
    Zu dem Obelisken auf dem Dorfplatz, der . zu brennen schien. Purpurglanz umgab ihn wie feurige Lava, und aus ihm heraus ertönte ein dumpfes, langsam anschwellendes Grollen.
    Goprum stützte sich gegen die Wand seiner Hütte, deren Steine die unerklärlichen Erschütterungen übertrugen. »Was . ist das?«
    »Das fragst du noch?« Marathes Stimme überschlug sich. »Sie sind es! Kapierst du denn nicht?«
    »Was soll ich kapieren?«
    »Daß unser Plan nach hinten losgegangen ist! Wir haben den Bogen überspannt! Wie konnten wir nur glauben, daß Sie es nicht merken würden?«
    Goprum spuckte verächtlich aus.
    In diesem Augenblick eilte einer der Dorfbewohner an ihnen vorbei in Richtung Dorfmitte und schrie: »Der Obelisk . etwas kommt daraus hervor!«
    Im Purpurschein, der bis zu ihnen reichte, wechselten Goprum und Marathe verständnislose Blicke.
    »Vielleicht steckt er dahinter«, knurrte Goprum.
    »Wer?«
    »Rani!«
    »Wie sollte der ...?«
    Eine andere Stimme voller Leid übertönte ihn:

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