Die Wohlgesinnten
Generalgouvernement. Auch ich ging mit keinem Wort auf das Vergangene ein. Was zählte, war dieGegenwart, und wenn Bierkamp mir helfen wollte, umso besser.
Ich verbrachte einige Tage in Krakau, nahm an Sitzungen teil, sah aber auch etwas von dieser schönen Stadt. So besichtigte ich das ehemalige jüdische Viertel in Kazimierz, das jetzt von bleichen, kränklichen und abgerissenen Polen bewohnt wurde, die im Zuge der Germanisierung der »eingegliederten Gebiete« hierher umgesiedelt worden waren. Die Synagogen waren nicht zerstört worden: Frank, so hieß es, habe Wert darauf gelegt, einige materielle Spuren des polnischen Judentums zur Erbauung künftiger Generationen zu erhalten. Einige dienten als Lagerhäuser, andere blieben geschlossen; ich ließ mir die beiden ältesten öffnen, die an dem langgestreckten Szeroka-Platz lagen. Die so genannte Alte Synagoge aus dem 15. Jahrhundert – mit ihrem langen Nebengebäude mit zinnenbewehrtem Dach, das im 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts für die Frauen angebaut worden war, diente der Wehrmacht als Proviant- und Ersatzteildepot; die vielfach umgestaltete Ziegelsteinfassade mit ihren blinden Fenstern, Bögen aus weißem Kalkstein und den etwas willkürlich eingefassten Sandsteinen besaß einen fast venezianischen Charme und verdankte im Übrigen eine Menge den italienischen Architekten, die in Polen und Galizien gewirkt hatten. Die Remuh-Synagoge am anderen Ende des Platzes war ein kleines Gebäude, eng und verräuchert und ohne architektonischen Reiz; vom großen jüdischen Friedhof, der sie umgab und der sicherlich einen Besuch wert gewesen wäre, war nur noch ein verwahrlostes, verlassenes Gelände geblieben, seit die alten Grabsteine als Baumaterial fortgeschafft worden waren. Der junge Offizier der Gestapostelle, der mich begleitete, kannte sich in der Geschichte des polnischen Judentums sehr gut aus und zeigte mir die Stelle, wo sich das Grabmal des Rabbiners Moses Isserles, eines berühmten Talmudisten, befunden hatte. »Seit Fürst Mieszkoim 10. Jahrhundert begann, Polen den katholischen Glauben aufzuzwingen«, erklärte er mir, »sind die Juden aufgetaucht und haben mit Salz, Getreide, Pelzen und Wein gehandelt. Da sie den Reichtum der Könige mehrten, erhielten sie ein Privileg nach dem anderen. Das Volk war damals, abgesehen von einigen Orthodoxen im Osten, noch heidnisch, gesund und unverbraucht. So haben die Juden dem Katholizismus geholfen, in Polen heimisch zu werden, und im Gegenzug schützte der Katholizismus die Juden. Noch lange nach der Bekehrung des Volkes haben die Juden diese Stellung als Handlanger der Mächtigen beibehalten und halfen den Pans , die Bauern nach allen Regeln der Kunst zu schröpfen, indem sie ihnen als Verwalter und Wucherer dienten und den Handel fest im Griff hatten. Deshalb ist der polnische Antisemitismus so hartnäckig und heftig: Für das polnische Volk ist der Jude immer ein Ausbeuter gewesen, und auch wenn sie uns abgrundtief hassen, so billigen sie doch unsere Lösung des Judenproblems aus ganzem Herzen. Das gilt auch für die Partisanen der Armia Krajowa , die alle katholisch und bigott sind, und sogar, wenn auch in etwas geringerem Maße, für die kommunistischen Partisanen, die, manchmal gegen ihren Willen, gezwungen sind, der Parteilinie und Moskau zu folgen.« – »Trotzdem hat die AK den Juden in Warschau Waffen verkauft.« – »Ihre schlechtesten Waffen, in lächerlich geringer Zahl und zu horrenden Preisen. Nach unseren Informationen erklärten sie sich zu diesen Verkäufen erst auf direkten Befehl aus London bereit, wo die Juden die so genannte Exilregierung der Polen unter Druck setzten.« – »Und wie viele Juden sind jetzt noch übrig?« – »Die genaue Zahl kenne ich nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Ende des Jahres alle Gettos vernichtet sein werden. Außerhalb unserer Lager und abgesehen von einer Handvoll Partisanen gibt es dann keine Juden mehr in Polen. Wenn das erreicht ist, wird es höchste Zeit, dass wir uns ernsthaft umdie polnische Frage kümmern. Auch die Polen sind einer beträchtlichen demografischen Verringerung zu unterziehen.« – »Einer totalen?« – »Ob einer totalen, weiß ich nicht. Die Wirtschaftsämter stellen dazu gegenwärtig Überlegungen an und führen Berechnungen durch. Aber sie wird angesichts der erheblichen Überbevölkerung unumgänglich sein. Sonst wird sich die Region nicht entwickeln und prosperieren können.«
Polen wird nie ein schönes Land
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