Die Wohltäter: Roman (German Edition)
»Wo liegt eigentlich dein Problem? Ich gebe dir eine Chance, damit wir uns ein bisschen besser kennenlernen, und dann benimmst du dich so ... vollkommen unerzogen. Ich mag Männer mit Temperament, das solltest du wissen – sonst hätte ich dich nie hierher eingeladen. Aber ich hätte nicht erwartet, dass du so ungeschliffen bist, dass du noch nicht einmal begreifst, was das für eine Chance für dich ist. Ich habe dich am Anfang eingestellt und habe immer an dich geglaubt. Wenn wir beide Freunde werden, kannst du bei der Zeitung tun, was du willst.«
»Ich werde garantiert nicht dein Freund«, sagte Ninos müde und wich noch einen Schritt zurück. »Ich stelle mich höchstens als Integrationsprojekt zur Verfügung, und du kannst weiterhin mit denen befreundet sein, die in der Kulturredaktion arbeiten. So machen wir es.«
Marie-Louise sah ihn mit glutvollem Blick an. »Jetzt benimmst du dich wirklich völlig daneben«, sagte sie. »Niemand tut mir so etwas an. Niemand. Und schon gar nicht einer wie du. Auf keinen Fall einer wie du.«
Jetzt ähnelte sie einer Katze, fand Ninos, denn ihre Augen waren so schmal, dass sie aussahen, als würden sie nach hinten gezogen, zu ihren kleinen, spitzen Ohren.
Er beugte sich vor und sah auf ihre Nase herab. Die schwarzen Mitesser waren deutlich sichtbar, und die Nase glänzte vom fettigen Make-up. Das Puder hatte sich in die dunklen Falten gelegt, die wie ein feines, zerknittertes Laken unter ihren Augen lagen. Sie sah aus, als wäre sie kurz davor, Dampf aus ihrer Nase zu stoßen, aber er konnte sich dennoch nicht beherrschen.
»Laser«, murmelte er.
Sie zuckte zusammen, unsicher darüber, was er gerade gesagt hatte. »Was?«
»Laser«, sagte er laut und deutlich in ihr Gesicht. Dann drehte er sich um und ging aus der Küche, durch das Wohnzimmer und aus der Wohnung hinaus, die immer noch vom Lachen der betrunkenen Frauen vibrierte.
27
Ninos legte einen Führerschein auf den Tresen. »Ich habe ein Auto reserviert.«
Der Mann hinter der Rezeption verschwand für einige Minuten und kehrte mit mehreren Dokumenten zurück, die er Ninos zu unterschreiben bat. Ingrid stand neben ihm und warf einen Blick darauf, sagte jedoch erst etwas, als sie zu dem Auto hinausgegangen waren.
»Warum heißt du plötzlich Ömer Tunc? Es ist doch wohl unnötig, auch hier in Jütland zu lügen? Und aus welchem Grund besitzt du einen Führerschein mit deinem Bild und einem anderen Namen?«
»Man weiß nie, wer alles mit den Ausbildern in Verbindung steht, das hast du selbst einmal gesagt.«
»Aber ...« Ingrid seufzte. »Du verstehst es nicht. Diese Wallraff-Methoden sollte man nur dort anwenden, wo es absolut notwendig ist. Wenn man Dinge nicht auf andere Weise herausfinden kann. Du kannst nicht herumfahren und die Menschen als Ömer Tunc interviewen, den Artikel aber später als Ninos Melke Mire schreiben – das ist Betrug!«
Ninos lenkte den kleinen, weißen Toyota vom Parkplatz und warf Ingrid einen Blick zu, als er rechts abbog. »Wer hat das so entschieden?«
»Ich versuche nur, dir beizubringen, wie ein seriöser Journalist aufzutreten! Du musst mir vertrauen!«
»In Ordnung. Aber du hast von den Ausbildern und ihren Arbeitsmethoden erzählt. Sie scheinen selbst keine Regeln zu kennen. Na gut, ich werde nur dann Ömer Tunc sein, wenn es wirklich notwendig ist.«
»Aber das ist doch gerade der Punkt – nicht so zu werden wie sie. Du hast meine erste Frage nicht beantwortet«, fuhr Ingrid fort. »Oder warte«, unterbrach sie sich selbst. »Ich will es gar nicht wissen.«
Schweigend fuhren sie an der Küste entlang. In Stockholm herrschte noch immer Schmuddelwinter, während Dänemark sich schon dem Frühling näherte, obwohl der März gerade erst begonnen hatte. Oder es lag an der Sonne, die auf dem Wasser glitzerte, dass ihnen ein wenig wärmer und wacher zumute war als in Stockholm.
Ingrid hatte Ninos Vorschlag sofort zugestimmt, ihn nach Dänemark zu begleiten, nachdem Emils Kind an Grippe erkrankt war. Er brauchte ihre Hilfe, und er wollte so schnell wie möglich weg von der Zeitung. Emil hatte kaum glauben können, was er von dem Fest berichtet hatte, bei dem die Frauen das Lachen lernen sollten.
Ninos fühlte sich kampfeslustig. Die Adresse der Rechnung aus der Sortieranlage existierte nicht auf den Karten, die er konsultiert hatte, und somit wussten sie auch nicht, wo Lemmelstrands Firma war. Lemmelstrands Postadresse lag jedoch in einem Gebiet in der Nähe des
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