Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Buchführung für HHH übernommen, meinte, sie müssten darauf reagieren. Am Telefon war sie nicht sehr gesprächig gewesen. »Ich bin eventuell an einer Aussteigerin dran, wir treffen uns später. Dann werde ich mehr berichten.«
Nachdem er sich erst ein wenig verfahren hatte, war Ninos sich schließlich sicher, dass er trotz seiner verschlungenen Wege an der richtigen Adresse in Bagarmossen angelangt war. Rundherum standen dreistöckige Wohnhäuser mit Balkons an der Vorderseite, die an das Haus der Freiwilligen in Rinkeby erinnerten. Im Unterschied dazu lagen diese Häuser jedoch an einem Hang, sodass es an der Rückseite eine Souterrainetage gab.
Eine etwa fünfzigjährige Frau wartete vor dem Haus auf ihn. Sie war Ingrid nicht unähnlich, doch mit der charakteristischen, hässlichen Frisur sah sie aus, als hätte man ihr mit einer stumpfen Schere einen Zwangsschnitt verpasst. Ninos überlegte, was die Ausbilder wohl gegen ihr Frisurproblem unternahmen, wenn sie ausstiegen. Vielleicht würde Manuel ihnen allen dann gratis die Haare schneiden.
Die Frau streckte ihm die Hand entgegen und stellte sich als Solveig vor. Sie war eindeutig Schwedin, dachte Ninos, Schweden stellten sich selten mit Nachnamen vor.
»Es ist hier unten«, sie wies mit der Hand den Weg und öffnete eine Tür auf Bodenhöhe. Ninos folgte ihr die Treppe hinunter in einen schlecht beleuchteten Lagerraum, der mit verschlossenen, schwarzen Säcken vollgestellt war. Sie gingen an den Säcken vorbei in einen weiteren, kleinen Raum, der als Küche eingerichtet war, mit hellgelben Schranktüren und einer einzigen Deckenlampe.
Es drang fast kein Tageslicht herein, obwohl es in Deckennähe zwei Fenster gab. An einem Tisch saßen ein Mann mittleren Alters und eine Frau in Ninos’ Alter.
Ninos fühlte sich mit einem Mal unwohl. Er wandte sich Solveig zu. »Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie zu dritt sein würden.«
»Verzeihen Sie. Ich fand es wichtig, dass Sie auch Bernt und Eva treffen.«
Ninos grüßte beide. Sie hatten eine weitere Kaffeetasse für ihn auf den Tisch gestellt und baten ihn, Platz zu nehmen.
»Nehmen Sie Milch oder Zucker in den Kaffee?« Die Frage kam von Solveig, die währenddessen beschäftigt war, Kuchen auf einer Platte anzurichten, die sie dann auf dem Wachstuch platzierte.
Ninos beugte sich vor. Er hatte keine Geduld, in irgendeinem Keller ein Kaffeekränzchen abzuhalten, was auch immer sie ihm erzählen wollten. Er beschloss, schnell zur Sache zu kommen, da ihm die Situation unnatürlich vorkam. »Erzählen Sie mal, warum bin ich heute hier?« Er bemühte sich, freundlich zu klingen.
Bernt machte den Anfang. »Wir möchten, dass Sie uns kennenlernen. Wir sind nämlich völlig normale Menschen, die einen Großteil ihres Lebens dieser Sache gewidmet haben.«
»Sind Sie Ausbilder?«
»Das ist bloß eine Bezeichnung. Wir sind Menschen«, antwortete Bernt ruhig.
»Die etwas für andere tun möchten«, ergänzte Eva.
Solveig hatte sich neben Ninos gesetzt. »In den Zeitungen gab es so viele Missverständnisse. Wir möchten Ihnen eine Chance geben, uns besser zu verstehen. In einer ruhigen Atmosphäre.«
Ninos gratulierte sich selbst. Hier saß er also in einem Keller gemeinsam mit drei Ausbildern, die noch orthodoxer zu sein schienen als die anderen. Wie hatte es so weit kommen können? »Sie wollen gar nicht aussteigen, stimmt’s?«, erkundigte er sich vorsichtig.
Solveig sah die anderen an, um zu signalisieren, dass sie die Antwort übernehmen würde. »Wir möchten Ihnen erklären, wer wir sind und was wir tun. Es scheint, als hätten Sie eine falsche Einstellung. Wir möchten lediglich versuchen, sie zu korrigieren. Uns liegt daran, dass Sie nicht glauben, wir seien Monster. Deshalb geben wir Ihnen diese Chance.«
»Ich soll eine Chance erhalten?«, wiederholte Ninos misstrauisch. Er fühlte sich einfach nur müde. »Wir hatten geplant, Iversen und seine Bande zu interviewen, aber keiner wollte sich zur Verfügung stellen. Damals hätten Sie alles loswerden können, was Sie sagen wollten. Möchten Sie sich also jetzt interviewen lassen?«
»Wir sind nicht der Meinung, dass wir den Medien zur Verfügung stehen müssen. Wir fanden einfach nur, dass es schön wäre, sich kennenzulernen, damit wir vernünftig miteinander reden können. Wir glauben, dass Sie ein guter Mensch sind, der eigentlich gar nicht so viel Schaden anrichten möchte.«
»Nein«, sagte Ninos zu Solveig. »So geht das nicht. Sie haben
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