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Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Titel: Die Wohltäter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nordberg , Nuri Kino
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gerade gehen.«
    »Neiin«, sagte Emil. »Du bist nicht der Einzige, der hier ein bisschen einen draufmachen darf. Er hob sein Glas und leerte es mit einem Zug. »Ich hab in Weklichkaitau ein bischen kontinentales Blut in mir, oder?«, lallte er und wandte sich Candy zu, die begeistert über alles lachte, was Emil gerade einfiel.
    »Sie ist eine Professionelle«, flüsterte Ninos Emil zu.
    »Was? Wassagstu?«, fragte Emil und versetzte seiner Begleitung einen Puff mit seiner Hüfte, die daraufhin sofort ebenfalls begann, ihre Hüften zu schwingen.
    »Sie wird sich nicht weiter mit dir beschäftigen, wenn sie merkt, dass ihr nicht zusammen nach Hause geht.« Ninos beobachtete, wie die beiden außer Takt vor ihm her schaukelten, und verkniff sich ein Lachen. Er wünschte, es wäre ihm erspart geblieben, Emil dabei zuzusehen, wie er das Tanzbein schwang und »ein bisschen einen draufmachte«, wie es so viele schwedische Männer vor ihm getan hatten. Meistens war er hinter dem Bartresen Zeuge dessen geworden und hatte versucht auszurechnen, wie viel er noch servieren durfte, ohne dass man ihnen den Magen auspumpen musste.
    »Aber das wolln wir doch vielläicht auch«, antwortete Emil trotzig und zog Candy noch energischer an sich. »Mir sinn Freunde!«
    »Dann wirst du dafür bezahlen müssen«, antwortete Ninos müde. »Und das willst du doch wohl nicht.«
    Plötzlich fiel der Groschen und plumpste in all den Tequila, den Emil konsumiert hatte. Er ließ Candy los, als wäre sie eine brennend heiße Teekanne.
    »Good night«, sagte Ninos höflich und ein wenig überdeutlich zu Candy, die ihn böse ansah. Dann warf sie den Kopf in den Nacken, nahm ihre Handtasche von der Theke und stakste auf weißen Plastikpumps davon, ohne sich von Emil zu verabschieden.
    Emil war wie versteinert.
    »Komm jetzt. Wir müssen morgen früh raus«, sagte Ninos und reckte sich, um seinem Freund ein wenig den Rücken zu tätscheln, während er ihn in Richtung Ausgang lenkte.
     
    Ninos und Emil saßen zusammen mit den anderen Tagelöhnern an der Innenseite des Schiffsrumpfs im unteren Autodeck der Fähre aufgereiht. Alle trugen dieselben grünen Overalls, damit sie, Strafgefangenen gleich, deutlich zu unterscheiden waren und nicht versehentlich für Bewohner der Insel gehalten wurden. Die Arbeiter waren größtenteils Kubaner, Mexikaner, Haitianer und Puerto-Ricaner; die meisten von ihnen würden ihren Minimallohn – knapp vier Dollar pro Stunde – wohl an ihre Familien in den Heimatländern schicken.
    Aus ihrer Mitte stach Emil heraus, der viel größer als die anderen war und eine ungewöhnliche Haarfarbe hatte. Sein Overall sah aus, als sei er beim Waschen eingelaufen, da gut zehn Zentimeter zu viel von ihm aus Ärmeln und Hosenbeinen hervorschauten. Zudem war seine Gesichtsfarbe von den Drinks am Vorabend etwas grünlich.
    Die Bewohner und ihre Gäste saßen während der sieben Minuten langen Überfahrt entweder komfortabel in ihren Autos oder wandelten auf dem Oberdeck umher, wo man in aller Ruhe das künstliche Paradies bewundern konnte, das sich von einem Schlammberg in eine private, kontrollierte Zivilisation verwandelt hatte. Hier schien immer die Sonne, und nicht ein einziges Bonbonpapier lag auf den Wegen herum, dort, wo die Golfcarts gemächlich durch die Gegend surrten.
    Ninos verbrachte die verbleibende Zeit damit, Emil zu berichten, was er über Fisher Island in Erfahrung gebracht hatte. Der Erdhaufen in der Bucht gehörte anfangs dem ersten schwarzen Millionär der USA, der dort einen eigenen Ferienort für schwarze Amerikaner schaffen wollte, die zu dieser Zeit die Strände von Miami noch nicht einmal betreten durften. Seine Pläne wurden jedoch nie realisiert, und einige Jahrzehnte später ging die Insel in den Besitz des Eisenbahnerben William Vanderbilt über, der einen Ort suchte, an dem er die Wintermonate mit seiner Familie verbringen konnte. Er erbaute einen gigantischen Palast im spanischen Mittelmeerstil, mit einem Interieur, das hauptsächlich aus italienischem Marmor und Mahagoni aus einem Napoleonschloss in Frankreich bestand.
    Seither hatte die Insel viele unterschiedliche Besitzer gehabt, die mehrfach planten, die Insel im großen Stil nutzbar zu machen, aber die Entwicklung war immer diskret vor sich gegangen, und vor allem teuer.
    Statistiken besagten, dass die Bewohner von Fisher Island im Durchschnitt das höchste Pro-Kopf-Einkommen in den gesamten USA besaßen. Gut vierhundert Angestellte kümmerten sich

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