Die Wohltäter: Roman (German Edition)
jedenfalls der Einzige, der etwas Sinnvolles aus seinem Leben machte, dessen war er sich gewiss. Jeden Tag führte er die Revolution ein Stück weiter voran, hin zur endgültigen Lösung. Er hatte schon früh die Kraft in all den Menschen erkannt, die sich auf die Möglichkeit stürzten, ihr Leben anderen zu widmen.
Er machte es den Suchenden leichter – so ließ sich seine Arbeit beschreiben. Darin lag etwas Schönes. Er besaß die Fähigkeit, Menschen auf den richtigen Weg zu bringen, der es ihnen ermöglichte, ihrem Willen nach Weltverbesserung freien Lauf zu lassen. Und wenn er seine Pläne wie bisher verwirklichen konnte, wäre die Welt bald in einem besseren Zustand. Sich selbst sah er als Bindeglied zwischen der Suche vieler Menschen nach einer Aufgabe und den wahren Streitfragen, die man, wie er festgestellt hatte, weder weiterreichen noch auf demokratische Weise diskutieren konnte. Mit den Jahren hatte er erkannt, dass die Weltverbesserer sich vor allem eine starke Führung wünschten, die klare Antworten vermittelte. So konnten sie sich vollkommen auf ihre Taten konzentrieren, und das hatte bisher gut funktioniert.
Er lehnte sich zurück und genoss eine Art der Zufriedenheit, die mit dem Gefühl einhergeht, das Richtige zu tun. Sowohl für sich als auch für andere.
Es war ihm gelungen, die Gedanken an die Zeitung von sich zu schieben, die ihm in die Hände gefallen war, als er an Bord ging. Erneut hatte in der Nacht ein Hof gebrannt, weit von Harare entfernt. Ein Verbrechen gegen die internationale Gemeinschaft, schrieb die Zeitung. Endlich werden die weißen Kolonialherren in die Flucht getrieben – so hatte es sein alter Freund formuliert. Im Grunde war Møller nicht an diesem Sachverhalt interessiert, doch er wusste, dass der Zeitpunkt extrem unpassend war. Ausgerechnet jetzt, wo sie ernsthaft planten, in Zimbabwe zu expandieren.
Nach wenigen Minuten musste er seine Sitzposition in dem etwas zu weichen Sessel ändern, der bei der kleinsten Bewegung nachgab und ihm unbequem wurde. Kein Wunder, dass Komfort den Menschen schadete. Schon das kleinste bisschen davon verursachte ihm Rückenschmerzen.
Ein Assistent war hinter dem Vorhang hervorgekommen und stand nun mit hängendem Kopf vor ihm.
»Entschuldige die Störung«, begann er. »Wir hatten einen Anruf aus Jütland.«
»Und weiter?« Ungeduldig gemahnte Møller ihn zur Eile. Er missbilligte Menschen, die ihr Anliegen nicht schnell und präzise vorbringen konnten.
»Es geht um einen der Ausbilder in Kopenhagen. Ich habe versucht ihm zu vermitteln, dass sein Anliegen ihn unmöglich zu einem Gespräch mit dir berechtigen würde, aber er hat sich allen Verantwortlichen gegenüber durchgesetzt. Also habe ich ihm zugehört.«
»Und?«
»Es muss nicht unbedingt etwas bedeuten, aber er glaubt, dass der neue englische Berater, der unser Projekt prüft, eventuell ein Sicherheitsrisiko darstellt. Oder man ihn leicht zu etwas verleiten könne. Vorher ist zwar nie etwas passiert, aber man kann nie wissen, und er ist sich ziemlich sicher.«
Der Assistent verstummte und trat aus Furcht unbewusst einen Schritt zurück. Er hatte schon einmal schwierige Nachrichten überbringen müssen.
Møller hob seine Augenbrauen. Er war vollkommen sicher, dass man sich auf das Urteil der besagten Person verlassen konnte. »Danke für die Mitteilung. Sie ist angekommen.«
Er brauchte nicht mehr darüber zu hören. Bei Gelegenheit würde er sich näher damit beschäftigen. Er schloss die Augen und war nicht im Geringsten beunruhigt, eher gespannt. Trotz allem wird es also keine langweilige Reise werden, murmelte er vor sich hin, jetzt, da er und sein Geist zu neuen Höhen erwachten. In letzter Zeit war es beinahe zu friedlich zugegangen, und er hatte schon lange gelernt, unnötige Dramatik zu vermeiden. Meistens kam diese nämlich wie von selbst. Wenn ein solch delikates Dilemma über ihn hereinbrach, sah er jedoch keinen Anlass mehr, sich zurückzuhalten. Die Methode war immer dieselbe gewesen. Er sah aus dem kleinen, runden Fenster und genoss die Energie, die ihn durchströmte.
STOCKHOLM Am gleichen Tag
Der Geruch von altem Zigarettenrauch, der sich in den Kleidern festsetzte und unmöglich auszulüften war, mischte sich mit Duftnoten von Mief und Menschenhaut. Aber die Kunden, die das Geschäft betraten und etwas Schneematsch von draußen mit hereinbrachten, schienen sich nicht daran zu stören.
Das Sortiment wirkte, als hätte man eine
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