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Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Titel: Die Wohltäter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nordberg , Nuri Kino
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– hätte die Braut etwa ohne Haare heiraten sollen oder was?«, zischte Manuel. Er betrachtete Ninos. »Du siehst übrigens bescheuert aus.«
    Ninos antwortete nicht. Er hatte sein Bestes getan und trug einen schwarzen Anzug mit einem schwarzen Hemd. Der Kashmirmantel, den Manuel ihm gekauft hatte, war ihm allerdings zu schwer gewesen, sodass er seine blaue Thermojacke über das Sakko gezogen hatte, von dem nun unten zehn Zentimeter hinausragten.
    Manuel dagegen war nicht nur für die Beerdigung, sondern auch für Södertälje im Allgemeinen angemessen gekleidet, in seinem eleganten Mantel über einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug mit Einstecktuch aus Seide in der Brusttasche und einem Halstuch im selben Farbton.
    Als sie endlich vor der Kapelle eintrafen, hatten sich dort bereits mehr als hundert Verwandte versammelt, um gemeinsam die Allee bis zur Grabstätte zu beschreiten.
    Yamos Geschwister verteilten rote Rosen an alle. Ninos nahm von der jüngsten Schwester eine Rose entgegen und umarmte sie wortlos. Manuel steuerte auf eine kleine Gruppe neben dem Trauerzug zu, die aus ihrem Vater, ihren Onkeln und den meisten ihrer Cousins und Cousinen bestand. Ninos stand bei seinen Freunden aus Kindertagen, die er mit Yamo teilte.
    Zwei Priester gingen vorüber, woraufhin alle Trauergäste unmittelbar barkehmor abuna murmelten , was die Geistlichen wiederum mit einer Segnung beantworteten.
    »Hast du ihnen schon von deiner Journalismussache erzählt«, erkundigte sich Matay.
    »Noch nicht.«
    Matay schwieg und sah etwas betreten aus. Ninos ahnte, was das bedeutete: Seine Verwandten wussten offenbar bereits genau, womit er sich in der letzten Zeit beschäftigt hatte.
    Der Trauerzug setzte sich langsam in Bewegung, und die Trauernden senkten ihre Köpfe und fielen in tiefes Schweigen. Vor dem gleichmäßigen Klangteppich aus priesterlichen Segnungen stapfte die Familie durch Schneematsch und Grasbüschel. Als die Prozession am Grab angekommen war, wurden die Kränze an der Seite abgelegt, und der Bischof und die Priester stellten sich neben das Grab und sangen Psalmen. Dann wurde der Sarg behutsam in das rechteckige Grab gesenkt. Das Weinen von Yamo und seinen Geschwistern setzte sich in Ninos fest, und er spürte, wie ihm die Tränen übers Gesicht liefen.
    Yamo stand dem Grab am nächsten. Sein Gesicht war grau, oder zeichnete sich nur die Dämmerung darauf ab? Ninos legte ihm den Arm auf die Schulter. Matay kam nun ebenfalls hinzu und stützte Yamo. Nachdem alle ihre Rosen geworfen, die Blumen mit Sand bedeckt und Gott sei mit dir, geh hin in Frieden gemurmelt hatten, zogen die Anwesenden in kleinen Gruppen zu anderen Gräbern weiter.
    Denn es war wichtig, auch den Toten das Gefühl zu geben, dass sie an der Beerdigung teilnahmen. Darum besuchte man die Gräber der Verwandten, Freunde oder Nachbarn und hielt dort einen kleinen Schwatz mit ihnen. Alle vermischten sich nun untereinander, und es wurde keineswegs nur über die Beerdigung gesprochen, sodass der Friedhof schon bald vollständig von der Atmosphäre der lebhaften Trauergemeinde erfüllt war.
    Aus dem Augenwinkel beobachtete Ninos ein älteres schwedisches Paar, das vor einem Grab stand. Sie hatten gerade eine Kerze in einer Laterne angezündet und standen vollkommen stumm da, ohne ein Wort auszutauschen, zu weinen oder miteinander zu sprechen.
    Ninos folgte seinen Eltern zu den letzten Ruheplätzen anderer Familienmitglieder. Seine Großväter mütterlicher- und väterlicherseits, eine Großmutter und zwei Cousins lagen hier begraben, zusammen mit Hunderten anderer Menschen, die in Schweden gestorben waren, fernab des Landes ihrer Vorväter in Kleinasien.
    Ninos plauderte gerade mit seinem Vater am Grab von dessen Schwester, als sein Telefon klingelte. Die gesamte Familie warf ihm vorwurfsvolle Blicke zu. Auf dem Display wurde eine unbekannte Nummer angezeigt. Einen Moment überkam Ninos eine leichte Nervosität, er versuchte, sich daran zu erinnern, wessen SIM-Karte er in das Telefon gesteckt hatte. Seine eigene, oder Ömers? Und welche dieser beiden Personen war er eigentlich gerade? Er meldete sich mit belegter Stimme. Es war Ingrid, die etwas atemlos klang.
    »Ninos. Ich sitze hier mit all den Papieren, die du mir gebracht hast.«
    Ninos wandte sich ab und entfernte sich einige Schritte, um nicht am Grab seiner Tante zu stehen, während Ingrid weiterredete.
    »Soweit ich sehen kann, handelt es sich bei den Kopien um ziemlich gewöhnliche Rechnungen und

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