Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Überweisungen. Wir brauchen weitere Informationen, und wir müssen herausfinden, wer genau die Menschen sind, die mit den unterschiedlichen Aufgaben beschäftigt sind. Vieles daran verstehe ich einfach nicht.«
»Aber ... «, begann Ninos. Er mochte nicht einmal daran denken, dass er so lange stinkend herumgelaufen war, um jetzt zu erfahren, dass seine Informationen unbrauchbar waren. »Du bist aber doch dabei gewesen und hast dieses ganze Abrechnungssystem überhaupt erst erfunden, oder?«
Ingrids Stimme nahm einen ruhigeren Ton an. »Ich erkenne den Stil wieder und die Länder, zwischen denen die Transaktionen laufen, aber die Namen sagen mir nichts. Mir ist außerdem schleierhaft, wie sie zu einem 90er-Konto gekommen sind.«
»Was ist das?«
»Es handelt sich dabei um eine besondere Postgironummer, die mit 90 beginnt und die Organisationen für wohltätige Zwecke beantragen können. HHH nimmt auch direkte Spenden entgegen. Man kann spenden oder Kleidung kaufen oder aber direkt Geld in die Büchsen stecken. Ein 90er-Konto garantiert, dass das Geld nicht bei unseriösen Typen landet.«
»Aber genau das sind sie ja.«
»Ja, aber das müssen wir erst mal beweisen können. Bis dahin ist es nur zu ihrem Vorteil, ein 90er-Konto zu haben.« Sie holte Luft. »Ich fasse es immer noch nicht, dass du einfach dort hineingegangen bist und ihre Papiere gestohlen hast. So was tut man einfach nicht als Journalist.«
»Ich habe nichts gestohlen«, erwiderte Ninos säuerlich. »Nur kopiert.«
»Wenn du die Sache seriös betreiben willst, musst du dich an die Regeln halten.« Ingrid klang jetzt ernst. »Nur weil du dir einen Bart wachsen lässt und so tust, als wärst du jemand anders – und dabei auch noch fast einen Herzinfarkt erleidest! –, bist du noch lange kein Journalist. Wie du ausgesehen hast, als du gestern hier aufgetaucht bist!«
»Was willst du eigentlich? Du hast mich doch erst dazu ermutigt, zu recherchieren. Gibt es etwa Regeln, die besagen, dass Journalisten nicht die Papiere anderer kopieren dürfen?«, fragte Ninos trotzig.
Ingrid zögerte. »Ja – ich meine, nein, aber man sollte sich natürlich nicht für jemand anders ausgeben. Journalisten stellen Fragen. Auf diese Weise erreicht man etwas. Wie dem auch sei, ich glaube, dass deine Recherchen in jedem Fall ausreichen, um bei einer Redaktion Interesse zu wecken. Ich werde dir erklären, wie du das am besten anstellst.«
Ninos bemerkte plötzlich, wie sein Vater ihn mit einer tiefen Furche zwischen den Augenbrauen ansah. Er musste das Telefonat mit Ingrid beenden. Nachdem er die Dokumente bei ihr abgeliefert hatte, hatte er gehofft, sie werde sie für ihn entschlüsseln. Stattdessen verpasste sie ihm einen Vortrag über Journalismus. Er unterbrach Ingrid, die gerade zu einer neuen Tirade ansetzte über etwas, das sie als offizielle Dokumente bezeichnete, oder ging es um Prinzipien?
»Ich muss jetzt auflegen. Ich bin auf einer Beerdigung«, fiel er ihr ins Wort.
»Oje, entschuldige bitte«, sagte Ingrid bestürzt. »Aber warum in aller Welt gehst du dann ans Telefon?« Ein wenig misstrauisch fuhr sie fort: »Für eine Beerdigung hört sich das ganz schön lebhaft an bei dir im Hintergrund.«
»Können wir uns nicht später treffen und die Dokumente gemeinsam durchgehen«, bat Ninos.
»Okay«, antwortete Ingrid, und sie verabschiedeten sich.
Drei Stunden später – der Leichenschmaus hatte in den Räumen der Kirche stattgefunden – war es an der Zeit, in die Stadt zurückzukehren. Ninos hatte ganze dreizehn kutle verspeist, Bulgurtaschen mit einer Füllung aus Fleisch und Kräutern, und zahlreiche Fragen und Schmähungen über sich ergehen lassen müssen, nachdem er berichtet hatte, dass er Journalist werden wollte. Als er vom Kloster im Libanon erzählte, änderte sich der Tonfall jedoch schnell. Alle Verwandten, mit denen er gesprochen hatte, boten an, Beobachter zu mobilisieren, die in ganz Schweden, in einigen Fällen sogar im Mittleren Osten, ein Auge auf die Aktionen von HHH werfen sollten. Das galt als Selbstverständlichkeit – alle würden mithelfen, erklärten sie.
Auf dem Weg zum Auto klingelte Manuels Mobiltelefon. Es war ihr Vater, der bereits losgefahren war.
»Ich habe vergessen zu fragen, wie viel kher wir für seine Seele geben sollen. Ninos soll sich doch bitte darum kümmern.«
Manuel gab die Bitte seines Vaters an Ninos weiter, der sich wiederum an Yamo wandte: »Natürlich wollen wir auch unseren Teil beitragen und
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