Die Wohltaeter
zeigte auf eine Reihe graubrauner Häuser mit rostigen Balkons. »Sie kommen regelmäßig ins Zentrum und versuchen, kostenloses Essen zu ergattern.«
»Gut. Sehr gut.« Ninos nickte freundlich. »Wisst ihr, welcher Eingang es ist?«
Sie schüttelten die Köpfe. »Irgendwo in der Mitte wahrscheinlich. Sie kommen jedenfalls immer dort raus und sagen, dass sie da zusammen wohnen.«
Ninos bedankte sich und ging zu der Hausseite, die zu einem Parkplatz zeigte. Es war halb zwei am Nachmittag, und die meistenTüren standen offen. Er ging zu einem Hauseingang. Auf dem Schild standen zweiundzwanzig ausländische Namen. Er vermutete, dass die Wohnung unter einem schwedischen Namen lief, und ging wieder hinaus. Die nächste Tür: vierundzwanzig ausländische Nachnamen. Im dritten Aufgang gab es vier schwedische Nachnamen, von denen einer Nilsson lautete. Er ging in den dritten Stock und klopfte an die Tür. Keine Reaktion. Er öffnete den Briefschlitz und lugte hindurch, aus der Wohnung drang Licht. Er klingelte, doch niemand schien zu Hause zu sein. Hinter ihm ging eine Tür auf.
»Da ist niemand, sie ist auf der Arbeit. Was hat sie denn jetzt wieder angestellt?«, fragte eine Nachbarin, die ihrer Kleidung nach zu urteilen Muslima war. Ninos entgegnete, er müsse sich in der Tür geirrt haben.
Vier Türen ohne Ergebnis. Ninos rechnete mit insgesamt fünfzehn weiteren Türen und beschloss, die Bewohner zu fragen, ob sie wussten, wo eine Gruppe von Jugendlichen aus anderen europäischen Ländern wohnte.
Eine arabische Frau mit Kinderwagen erzählte bereitwillig, dass sie sie kenne. »Sie sind sehr freundlich. Sie meinen die jungen Leute, die nach Afrika und in andere arme Länder fahren werden?«
Aber auch sie konnte nicht sagen, in welchem Aufgang sie wohnten. Also fuhr Ninos fort. Am Ende blieben nur noch zwei Aufgänge, die allerdings abgeschlossen waren. Er beobachtete sie aus der Ferne, um zu sehen, ob jemand hinaus- oder hineingehen würde. Zwischendurch rief er Emil an. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis ich sie gefunden habe.«
»Phantastisch! Aber du, es ist Punkt 14 Uhr, und die beiden Parteien haben sich noch nicht geeinigt.«
»Die Parteien?«
»Wir streiken.«
»Aha. Soll ich jetzt etwa auflegen oder was?« Ninos unterbrach sich, als er einen älteren Mann kommen sah. »Ich muss los. Aber ich lass das Handy an, also leg nicht auf.«
»Nein, das geht nicht«, rief Emil, als Ninos ihn in die Innentasche seiner Jacke stopfte. Der Mann hielt Ninos artig die Tür auf, der dankbar hineinging.
»Zu wem wollen Sie?«, fragte der Mann. Ninos hatte keine Antwort parat und gab stattdessen ein langgezogenes Brummeln von sich, während er das Schild neben dem Treppenaufgang studierte, um etwas Zeit zu gewinnen. Er scannte alle Nachnamen von oben bis unten. Berger. 1. Stock. Er verstand noch beim Lesen. Das Vorstandsmitglied hatte offenbar nach seinem Tod seine Wohnung zur Verfügung gestellt. Ninos wiederholte kurz den Namen für den Mann, der neben ihm stand.
»Ja, ja«, sagte dieser sofort. »Sie organisieren dort kher. Sehr gute Menschen. Meine Schwester bringt ihnen manchmal etwas zu essen vorbei.«
Ninos nahm den Aufzug und klingelte.
»Eine Sekunde«, rief jemand mit heiserer Stimme.
Der junge Mann, der die Tür öffnete, war Anfang zwanzig. Ninos stellte sich als Journalist vor und erzählte, er arbeite an einem Bericht über Hilfsorganisationen.
Der Mann in der Tür hieß Juha und kam aus Finnland. Er sprach nur wenig Schwedisch, aber leidlich Englisch. Außer ihm war niemand zu Hause; alle seien unterwegs und arbeiteten, erzählte er. Er selbst sei dageblieben, da er eine Mandelentzündung habe. In der Tat sah er krank aus, sein Haar war strähnig und sein Gesicht bleich. Ninos wich ein Stück zurück.
Nachdem sie eine Weile im Türrahmen gestanden hatten und Juha von fiebrigen Schweißausbrüchen geplagt wurde, fragte Ninos, ob es nicht besser sei, hineinzugehen und sich hinzusetzen, um ein wenig zu reden. Juha sah skeptisch aus, aber Ninos war schon aus den Schuhen geschlüpft und ging an ihm vorbei in die enge, verrauchte Wohnung.
Überall lagen Schuhe und Kleidung, ansonsten aber war die Wohnung fast unmöbliert. In den zwei Zimmern standen sechs Stockbetten mit Matratzen und Schlafsäcken, die allesamt alt und ausrangiert aussahen. Juha erzählte, dass sie zu elft in der Zweizimmerwohnung lebten. Eines der Betten schien frei zu sein, es lag ein riesiger Kleiderberg darauf. Juha bat Ninos in
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