Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
fünfzig Schritt breit und mit weißen Brettern vom Publikum abgetrennt. Jede Längsseite zierten hohe hölzerne Triumphbögen, mit Wappen und Schnitzereien überkrustet.
Zur feierlichen Eröffnung des Fußturniers marschierten Erzknappen in weißen Bergmannskleidern ein. Vergoldete Hämmer in ihren Händen. Vor der Haupttribüne war ein Berg aus Erz aufgeschüttet worden. Auf diesem hämmerten sie mit blödsinniger Tüchtigkeit herum.
Schon dies war mir vergällt. Mein Herr, der meine Abneigung gegen Rittergemetzel kannte, hatte gedroht, mich als Minenzwerg in das Schwazer Silber einfahren zu lassen, sollte ich ihm Schande bereiten.
Nun geht es beim Fußturnier darum, seinen Gegner mit drei Stößen mit einem Spieß und fünf Schwertschlägen zu attackieren, wobei mancher Schweiß- und Blutstropfen floss.
Bald schon verlangte das Publikum nach mehr Irrsinn. Wollte partout sehen, wie ein Angreifer bei vollem Galopp mit einer Lanze durchbohrt würde.
So folgte das Kröndlgestech, auch Tjost genannt. Nur bei großen Festlichkeiten abgehalten, ist es ein Spektakel, das keiner, der es sah, je wieder vergisst. Ein Spaß für die Gaffer, grausam für die Begafften.
Man stößt sich mit Lanzen in doppelter Mannslänge aus dem Sattel. Die Lanzenspitze ziert ein Turnierkrönlein. Dieses nicht scharf geschliffen, aber scharf genug, um einen Panzer zu brechen, einen Bauchring zu zerreißen und ritterliche Eingeweide in nachhaltige Unordnung zu versetzen.
Da es kein Ritter schafft, die Lanze im Galopp mit den Armen in der Luft zu halten, sind auf dem Harnisch unter dem rechten Arm zwei Haken angebracht. Auf dem Rüsthaken liegt die Lanze auf, der Rasthaken hält sie von oben, so dass ein Ritter und sein langer Todesdorn zu einem unseligen Wesen verschmelzen.
Zwei Knechte braucht es, um die Lanze auf die Haken zu hieven, ehe der Ritter seinem Schlachtross die Sporen gibt.
Die Gefährlichkeit dieses Irrsinns zeigt sich schon am Helm. Er gleicht einem Kübel, weder Hals noch Kopf sind zu erkennen. Um Genickbrüche seltener zu machen, ist er an Brust und Rücken verbolzt. Eine wollne Harnischkappe soll den Kopf von innen schützen. Eine Turnierkarriere hat jedoch noch keinen Ritterschädel klüger gemacht.
Man reitet gewöhnlich blind, da der Helm nur einen schmalen Sehschlitz besitzt. Der Mut eines Lanzenmannes zeigt sich daran, ob er beim Angriff, taktisch klug aber gefährlich, seinen Gegner anblickt – also den Kopf senkt – oder den Kübelhelm wie einen Blumentopf senkrecht hält.
Einer, der seine Angreifer dereinst anblickte, war der ungarische Edelmann Gregor Baci, dabei drang ihm eine Lanze durch das rechte Auge in den Kopf und am Unterkiefer hinaus.
Dieses Missgeschick bescherte ihm einen Platz in Ferdinands Kuriositäten-Galerie, um den Lanzeneintritt hatte der Porträtist eine Korona aus spritzendem Blut gemalt. Baci soll noch Wochen gelebt haben, was für die Robustheit der Magyaren spricht.
Der Einzug der Tjoster folgte einer Choreografie. Sechs bayrische Trompeter zogen auf den Platz, gefolgt von sechs Rittern, Ross und Reiter über ihren Panzern in weiß-blauen Atlas gehüllt. Es folgten zwölf weiß-blaue Knechte, die Turnierlanzen schleppend.
Die Ritter schworen dem durchlauchtigsten Bayernherzog, ihr eigenes Leben gerne herzugeben. Die Rösser blieben ungefragt.
Nun erschienen die Gegner mit der gleichen Zahl an Trompetern, Rittern und Lanzenknechten in den Farben der Braut in gelb-schwarz.
Die Ritter gingen paarweise aufeinander zu bis zur Mitte der Kampfstätte. Brüllten ihre Herausforderungen hinaus, um sich dann auf den Mund zu küssen. Eine Geste der Vergebung, sollte einer den anderen töten.
Ich war an eine bayrische Schöne angeschmiegt. Eine Kopfnuss erschütterte meine unkeuschen Gedanken. „Blamier uns nicht“, flüsterte mein Herr.
Die Kontrahenten zogen sich an gegenüberliegende Seiten des Sandplatzes zurück. Der Kampf begann mit einem Trompetensignal. Mein Herr so aufgeregt, dass er mir eine zweite Kopfnuss angedeihen ließ.
Beim ersten Rennen verfehlten sich die beiden Ritter, aber beim zweiten trafen sie einander dergestalt, dass beide von ihren Pferden geschleudert wurden. Zwei Trompeten bliesen schrill ein Spottlied.
Das nächste Kämpferpaar landete auf dem Kopf und strampelte mit den Beinen in der Luft. Vor der Tribüne beäugt, glichen sie Steckrüben. Neuerliche Trompetenverhöhnung.
Ein Besiegter konnte mehr verlieren als seine Reputation. Bei reinen Kampfturnieren
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