Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Bergmännlein zu. Als Zeichen ihrer Vergebung. Dem ungeachtet, würde sich ihr Mörder immer und immer wieder in das Gebirgswasser stürzen. Fände des Hirtenkönigs Töchter aber nie auf dem eisigen Grund. So ergehe es dem Riesen vom Glungezer, der zu einem Zwerg geworden sei, so wie ich.
„Wie die Geschichte wohl ausgeht, wenn mein kleiner Riese am Ufer sitzt?“ Kaum hatte Ferdinand laut gedacht, war er nur noch mit Mühe davon abzuhalten, mich wie einen Wolfsköder an einer Zirbe anzubinden, die schief aus der Schneedecke herausragte.
Jetzt war es Blasius, der Ferdinand gut zuredete. Der ihn überzeugte, dass dieser beim Aufstieg so lästige Zwerg ja eigentlich ein Glückbringer sei. „Ein Gämsenfreund“, wie er sagte. Sei das Wild hier doch an einen Kleinwüchsigen gewöhnt und wittere also keine Gefahr, wenn es einen sähe.
Fortan musste ich in dieser kalten, düsteren Ödnis der Jagdgesellschaft vorangehen. Brach mehrmals bis zum Bauch ein.
Doch sollte ich die erste Gämse erspähen.
Wie durch ein Wunder blieb der junge Bock bei meinem Anblick ungerührt. Auch mein Ringen um Atem alarmierte ihn nicht, denn so ein Krepierling wie ich könnte nie ein Tiroler sein. Ein Jäger schon gar nicht. Der Bock kam näher. Die Kugel meines Herrn zerriss ihm die Flanke.
Drei Gämsen mussten ihre Zwergenvertrautheit in dieser Nacht noch mit dem Leben bezahlen. Darunter eine Geiß mit ihrem Kitz, die zu schießen Blasius meinem Herrn abgeraten hatte.
Ferdinands Jagd-Gesetze verrieten die dunkle Seite seines Wesens, die der Bischof von Trient einmal benannte hatte: „Ferdinand will nicht nur geachtet, sondern auch gefürchtet sein.“
So hatte er verfügt, dass Wilderer nicht nur mit Kerkerhaft, sondern auch mit dem Verlust ihres Augenlichtes zu bestrafen seien. Eine Strafe, wogegen die Bauern heftig opponierten und die Landstände für sich gewannen. Die Blendung sei eine in Tirol weder bekannte, noch dem Wesen der Bewohner angemessene Strafe, schrieben sie an Kaiser Maximilian II., der seinen Nimrod-Bruder seinerseits durch ein Schreiben mäßigte.
Auch Ferdinands Verfügung: „Bauernhunden ist die rechte Pfote abzuhacken, damit sie nicht auf Hirsche gehen“, sorgte für Befremden unter den stolzen Bauern, die ihre Hunde nicht verstümmeln mochten.
Im ersten Licht machten wir uns auf den Heimweg. Ich war im Gedanken schon in der Hofburg bei einer Magd, um mich an ihrem noch bettwarmen Körper aufzuwärmen.
Ferdinand hieß uns plötzlich anhalten. Auf Höhe der Ambraser Burg ging ein merklicher Ruck durch seinen Körper. Er hatte in einem Fenster ein Licht erspäht.
„Die Damen sollen auch einen Braten haben“, sagte er und ließ sich die Geiß und ihr Kitz an den Sattel binden. Dann gab er seinem Ross so heftig die Sporen, dass es sich aufbäumte und Ferdinand einmal mehr als verliebter Heißsporn entlarvt war.
Er ließ einen verblüfften Jagdtross zurück. War es doch selbst mir bisher kaum erlaubt, den Namen der Frau mit den schönen Nasenlöchern auch nur zu erwähnen. Hätte ich mich, meiner Zwergenneugier folgend, heimlich gar nach Ambras aufgemacht, hätten schlimmste Konsequenzen gedroht. Wer einen Edelmann auspeitschen ließ, würde einen Zwerg nicht verschonen. Meine Narrenfreiheit, die mir in der Hofburg schon oft den Kragen gerettet hatte, hätte dort kaum gegolten.
Ambras war ein verbotener Ort. Kein Hofburgler wurde dort geduldet, so, wie Ferdinands Huren nicht in der Hofburg geduldet waren. Niemand, den ich kannte, auch niemand, der jemanden kannte, der hätte berichten können, war bisher je in Ambras gewesen. Es hatte einen eigenen Hofstaat. So verschwiegen, wie man es sonst nicht kennt. Welche Magd oder welcher Torwächter schweigt, wenn schon eine kleine Indiskretion ein stolzes Sümmchen einbringen kann? Hatte man den Bediensteten, nach Kalifenart, die Zungen herausgeschnitten?
Solche Geheimnistuerei gefiel einem Thomele nicht. Doch auch die Tiroler wetzten sich ihre Schnäbel an dem geheimnisvollen Ort. Vom Unter- bis ins Oberland.
„Ferdinands Huren halten dort Hexensabbat“, hieß es. Dies erkläre die Särge, die ein Hiesiger bei der Ankunft der Damen gesehen haben will. Kleine Särge, würden sie doch Kinder schlachten.
„Die Huren seien verkleidete Alchemisten. Pures Gold spinnen sie aus Stroh“, hatte ein Aldranser Fuhrmann berichtet.
Ließen nicht sogar Ferdinands fromme Schwestern aus Hall verlauten, ihr Bruder lebe in unvorstellbarer Sünde?
Jeder Fremde auf der
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