Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
sechs Kämmerer und Kammerdiener, ein Garderobier, Ferdinands Leibbarbier, ein Kammerfurier, diverse Kammertürhüter, ein Kammerschreiber, zwei Leibärzte, ein Apotheker, der Wundarzt, der Oberstsäbelmeister, der Silberkämmerer, drei Mundschenke, drei Vorschneider, Giftbecher-Gustl als Vorkoster, zehn Truchsessen, fünf Kellerleute, ein Küchenschreiber, drei Einkäufer, zwei Proviantmeister, vier Mundköche, der Zuschroter, Jost als Pastetenkoch, ein Hof-Sommelier, zehn Köche, drei Küchenträger, ein Gewusel an Küchenhelfern, zwei Marktträger, der Kuchenportier, breitschultrige Holzhacker, drei Silber- und drei Lichtdiener, ein Beichtvater, vier Kapläne, ein Kapelldiener, ein Organist, ein Kapellmeister, zehn Sänger, diverse Kapellknaben, elf Hofmusiker, ein Heerespauker, ein Futtermeister, zwei Rossbereiter, Sattel- und Stallknechte, ein Rüstkämmerer, ein Hof-Furier, ein Stiefelbewahrer, ein Hofschmied samt Knecht, ein Dutzend Lakaien, ein Wildhetzer, zwei Waidleute, acht Jäger, ein Gamsjäger, vier Falkner, zwei Hundsbuben, ein Präparator, der Hauptmann der Trabanten, die die Hofburg bewachten, und dreißig Mann mit Hellebarden, Schwert und Spießen, ein Hoftapezierer, ein Wasserkünstler, ein Gartenmeister, Ferdinands Leib- und Mundwäscherin, Hofwäscherinnen überhaupt, sieben Tafeldiener, drei Heizer, zwei Maler, ein fürstlicher Leibschneider, ein Leibschuster, der Hofportier, ein Ballonmacher und Edelknaben, die das Adelshandwerk erlernten.
„Ein kleiner Jungesellenhaushalt“, wie Albrecht von Bayern meinte.
Zwischen all den Pöstchenverrichtern tummelten sich Wesen rein für Ferdinands Pläsir und Ansehen. So der in seinen Gliedmaßen verdrehte Wurzelmuck, drei Mohren, eine amethystäugige türkische Jungfrau, ein Haarmensch zu Besuch aus Wien und natürlich der unbeholfene trentinische Bauer Giovanni Bona als Riese und ich.
Für mich, den König unter den Abnormen, war die Hofburg eine Zumutung. Wie war es möglich, dass Ferdinands Huren in einem eigenen Palast residierten, während das Staunen der Welt in einer royalen Rumpelkammer zu Schaden kam?
Dass es dem Riesen an Platz fehlte, erschloss sich gleich. Sein Anecken ging zu Lasten der Personen, die er in seinem ganz normalen Bewegungsablauf unterpflügte. Ein Thomele war in dem düsteren Labyrinth der Hofburg schnell in Lebensgefahr.
So fasste ich einen Plan, mit dem überdimensionierten Bauern als Körper und Thomele als Hirn; Giovanni war mein Christophorus, ich das Jesuskind. Und ich verkünde euch: Niemand wurde je imposanter durch Menschenströme getragen, die Machtzentren so zu eigen sind.
Dass mein Beschützer dabei die vorlaute Gattin des Hofrats Wernuschel eine Stiege hinunterfegte – ein peinliches Versehen. Dem gleichsam unbeliebten Hofpfennigmeister Zinser schlug ich eine Tür vor die Stirn. Zufällig.
Als Ferdinands Mundkoch Rumpolt mit einer Cremetorte Richtung Festtafel strebte, bewies diese eine so erstaunliche Flugbahn, dass gleich drei Höflinge, darunter Kaspar Möller von Möllenstein, Ferdinands Kammerdiener, und Sekretär Schrenk Kostproben erhielten. Mit Haut und Haaren. Schrenk, ein zuckersüßer Günstling, hieß fortan der Tortenkopf. Von meinem mobilen Ausguck aus war ich zwischen das Backwerk und dessen Erschaffer geraten. Gänzlich unbeabsichtigt.
Rumpolt sollte uns bald doppelt verfluchen. Er hatte Geschirr aus der Küche verschleppt und manches Stück Wildbret verkauft, das für die fürstliche Tafel bestimmt war. Beim Wein plagten ihn und den Sommelier der größte Durst. Aber es war Rumpolt, der grob zu den Mägden war. Thomele hatte auch ausspioniert, dass der Sommelier den Kellerschlüssel oft seinem Weib überließ. Mit ihr sogar ein Kellerstübchen eingerichtet hatte, wo sie „bankettierten und jubilierten“.
Und es begab sich, dass der Zwergen-Jesus im dunklen Weinkeller verloren ging und seinen Beschützer herbeirufen musste. Im Ton absoluter Bedrängnis, der dem hart gesottenen Riesen derartig durch Mark und Bein ging, dass er den Sommelier, dessen Gattin, Rumpolt und zwei externe Gäste unter einem Regal begrub, gefüllt mit Krügen und Gläsern.
Wieso ausgerechnet Rumpolt noch ein Weinfass auf den Fuß fiel, wurde nie geklärt. Der arg lädierte Mundkoch und der Sommelier verbüßten ihre Verfehlungen mit Gefängnis. Rumpolt sogar mit der Entlassung aus dem Dienst.
Doch erst ein Spielabend verlieh meinem Plan die erhoffte Dynamik. Dazu völlig schuldlos. Einmal mehr schwebte ich
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