Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
über der Hofgesellschaft mit der Bitte, mein Christophorus möge mich an einem Tric-Trac Tisch platzieren, meinem Lieblingsspiel. Dabei fädelte der Riese ein Zwergenbeinchen in einem Wandkronleuchter ein. Wachs ergoss sich auf die Spielsüchtigen, darunter der Tortenkopf, der so zum heißen Tortenkopf wurde. Auch der hitzigen Wernuschel hätte nur noch ein Docht gefehlt, um sie anzuzünden. Beide veranstalteten ein Geschrei und lagen meinem Herrn tagelang in den Ohren. „Der Zwerg ist des Teufels, er wird noch den halben Hofstaat meucheln“, bis Ferdinand beschloss: Das falsche Jesulein, sein Thomele, muss weg!
Da mein Herr jedoch kaum mein Herr wäre, wenn Frechheit ihm nicht imponierte, erhielt ich – statt des geforderten Kerkers, der heiße Tortenkopf hatte sogar eine öffentlichen Auspeitschung vorgeschlagen – mein eigenes Terrain.
Ja, ein eigenes Haus fiel mir zu. Keine Zwergenkiste. Ein wuchtiges Eckhaus aus steingrauer Höttinger Breccie errichtet und vier Stockwerke hoch. Eines Thomele würdig. Mein Hauseingang öffnete sich zum Innenhof der Hofburg hin. Mein Weg zur Arbeit, ein Kinderspiel! Was einmal mehr beweist: Einen Zwerg mit einem Plan hält keine Macht der Welt zurück.
Nun ergab sich das Problem, dass der Riese, der Spaß an seiner Tollpatschigkeit gefunden hatte, diese nun umso heftiger zelebrierte. „Hat die Muckeschisse eine Hause, wille auch Giovanni Hause“, soll er mehr als einmal ausgerufen haben, wenn Geschirr, Lampen oder wieder ein Höfling zu Bruch gegangen war.
So wurde auch mein Christophorus zum Hausbesitzer. Eine glückliche Fügung, dass unsere Domizile nachbarschaftlich lagen. Mehr noch, sie waren durch einen Flüsterbogen zu meiner Linken verbunden. Eine perfide Erfindung. Sie funktionierte dergestalt, dass Worte an meiner Hausseite in einen ausgefrästen Steinbogen leise hineingesprochen auf der Riesenseite umso lauter ankamen. Lauscher, die vor dem Flüsterbogen standen, hörten nichts.
„Muckeschisse ise kluge Scheiße“, flüsterte der Riese anlässlich seines Einzuges.
„Der Riese ist große Scheiße“, zischte sein Zwergenwohltäter zurück.
Auch war mein Haus größer als Giovannis. Dies hatte schon Erzherzog Sigismund vor fast hundert Jahren für seinen Riesen Nikolaus Haidl errichten lassen. Der blickte immer noch grimmig als lebensgroße Steinfigur von einer erhöhten Nische am Hausportal auf die Hofgasse und den Innenhof der Hofburg herab.
Verständlich, dass einem Thomele so viel Riesentum missfiel. Besaß mein Haus doch gleich zwei Erker, die den Zugang zum Innenhof der Hofburg und die angrenzende Stiftgasse überblickten.
Sofort ließ ich auf dem noch feuchten Putz meiner Hausfront ein Fresko anbringen. Ihr könnt mich noch heute in einer aufgemalten Steinnische sehen. Das Spielbein leicht angegrätscht zum Tanz. Anmutig. Ich trage meinen nachtblauen Festanzug aus Prag mit den goldenen Knöpfen, nachtblauer Mütze, eine weiße Halskrause aus feinster Brüssler Spitze und einen goldenen Gürtel. Jeder, der die Hofburg über den Innenhof betrat oder verließ, sah – und sieht noch immer – zuerst mich.
Ein kleiner nachtblauer Geck mit allzu wissenden Augen. Für das unwissende Volk ließ ich „Hofzwerg Thomele 1566“ daruntersetzen. Obschon an das Haus zu diesem Datum noch gar nicht zu denken gewesen war, doch auch mein Herr nahm es mit Zahlen nicht so genau. Vor allem mich betreffend. Und klingt es nicht beachtlich, dass der Vizekönig von Böhmen und designierte Herrscher Tirols für seinen Liebling schon von Prag aus ein Refugium in Innsbruck erwarb?
Damit der Miniatur-Adonis nicht mit einem Seitenblick abgetan wäre, ließ ich die heilige Maria über mir schweben. Diese ganze Herrlichkeit wurde noch von einer Banderole umrahmt:
„Unter Gottes Segen und Marias Hand ist dieses Haus dem kleinen Riesen zuerkannt.“
Der Auswuchs meiner Eitelkeit gefiel meinem Herrn so gut, dass er ihn anstandslos bezahlte. Einmal mehr stolz darauf, der Besitzer des kleinen Riesen zu sein.
Ferdinands Begeisterungsfähigkeit hatte jedoch auch ein anderes Gesicht. Immer schon war er ein passionierter Jäger gewesen. In Böhmen waren die Jagdgründe von Bürglitz, Komotau und Bresnitz, wo er Besitzungen unterhielt, mitunter wie leergefegt.
Diese Leidenschaft wurde in Tirol zur Manie. Nun musste ich ständig vor Ferdinand auf seinem nervösen Hengst sitzen, bis ins Gedärm durchgeschüttelt. Oder ich mühte mich, auf meinem Kurzen mit der Jagdmeute Schritt zu
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