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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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nicht schlagen sollen“, sagte eine Stimme irgendwann. „Er ist ein Hitzkopf. Er schlägt jeden, der sich gegen uns stellt. Bis auf seine Familie, da kuscht er,“ antwortete die dunklere Tonlage.
    Meine Wickelmagd! Wie konnte sie so reden?
    War sie auch eine Hur’ und dieses Ambras ein Harem?
    Unwahrscheinlich, dass Ferdinands Familie sich für so eine interessierte. Die Frauen des Hauses Habsburg waren im Umgang mit Mätressen geübt: man ignorierte sie.
    Und Ferdinand war ledig. Sollte diese Gans ihre Schlafzimmermacht genießen. Sie wäre kurz.
    „Die Liebe geht, der Zwerg bleibt“, so hatte mein Herr bei der Münchner Fürstenhochzeit Julius von Riva abgekanzelt, der mich gerne besessen hätte. Auch Ferdinands Kaiserbruder hatte hinlänglich andere Sorgen, als die Amouren seines jüngeren Bruders zu verfolgen. Und Karl, der Nachgeborene, war in der Steiermark selbst kein Kind von Traurigkeit.
    Alle drei Brüder waren lendenfroh. Deren zahlreiche Schwestern rechte Betschwestern jedoch. Allen voran Ferdinands Schwestern in Hall. Gleichwohl, was wäre die Buße, ohne die Würze der Sündhaftigkeit? Es war überhaupt so, als ob die Töchter Anna Jagiellos sich zu Lebzeiten darin übten, dereinst beim Jüngsten Gericht Fürsprecherinnen ihrer Brüder zu sein.
    „Er ist winziger, als die Knaben in ihrem dritten Sommer waren“, hörte ich die Pflegeweiber ein andermal reden.
    Welche Knaben? Hofknaben? Oder die geraubten Kinder, über die man sich in Tirol die Mäuler zerriss? Es sollten ja merkwürdige Dinge geschehen in Ferdinands Serail.
    Leider bekamen meine Ohren nur wenig Nahrung. Die Dienerschaft schien vor meiner Zwergenneugier gefeit.
    Zumindest pflegte man mich eifrig. Übereifrig. Tröpfelte warmen Sud aus Eichen und Wacholder in meinen Mund. „Eichenlaub und Kranewitt, das mag der Teufel nit“, schimpfte die dunklere Tonlage, als ich ausspie.
    Legte mir klebrige Wickel mit Zwiebeln und Honig auf die Brust. So heiß, dass sie mich fast verbrühten. Sie kochten jedoch den Husten heraus.
    Meine Wunden wusch man mit Wein. Schade, um das gute Getränk, während man mich mit saurem Gesöff malträtierte. Behauptete die dunklere Tonlage doch, sie hätte Perlen in Essig aufgelöst und Augen von Flusskrebsen zu Pulver zerrieben, um mich zum Leben zurückzuführen. Es mochte teuer sein, schmeckte aber fürchterlich.
    Auch meine Blasenschmerzen behandelte sie. Strich warmen Senf auf meinen entblößten Schoß. „Würstchen mit Senf“ rief sie. Ein Scherz, der den vermeintlich unter seinem Verband schlafenden Würstchenbesitzer lachen machte. Ein schmerzhafter Scherz bei lädierten Rippen.
    Nun förderte der Aufstrich die Durchblutung dergestalt, dass meine Wickelmagd flink alles abwusch. „Schau, was das Kerlchen schon vermag“, kicherte eine Stimme. Im Mörser zerstoßenes Katzenschwanzkraut brachte den gleichen Effekt. Seinen Namen trägt es zu Recht. Kurios genug, meine Blase gesundete. Auch meine Träume kehrten zurück. Männerträume.
    Sicher hatte Ferdinands Leibarzt, Dr. Handsch, der ihm schon in Böhmen beigestanden hatte, den Ambraser Weibern seine Heilmethoden und Rezepturen diktiert. Seltsam nur, dass er nie vorbeikam.
    Nur nach meiner unfreiwilligen Akrobatik, kopfüber im Steigbügel hängend, hätte er mich untersucht und den Daumen über mich gesenkt. „Dieser Spaßmacher macht keine Possen mehr“, soll er zu meinem Herrn gesagt haben. Der hätte nur geseufzt und mich zum Sterben hierher bringen lassen. So hörte ich es aus Gesprächsfetzen heraus. Ausgerechnet nach Ambras! War ein Thomele nicht mehr gut genug, um bei Hofe zu sterben?
    Auch mein Herr besuchte mich nie. Wenn man so zerbrochen brachliegt, geht einem manches durch den Kopf. Ist man dick umwickelt und womöglich erblindet, irrt man umso mehr in sich selbst herum.
    Stand meine Wiege immer noch neben Ferdinands Nachtlager? Ließ er sie mit einem Seufzer entfernen, so wie mich?
    „Probieren wir es mit Schmalz vom Hecht“, verkündete die hellere Stimme irgendwann. „Es stärkt die Knochen und hilft beim Unterwachsen. Hechtschmalz macht selbst Zwerge groß.“
    „Diese zurückgebliebene Kreatur“, jammerte die dunklere Tonlage.
    Zurückgeblieben? Wie konnte diese dumme Trutschn auch wissen, dass man mich mit Gold aufwogen hatte, als mein Herr mich dereinst in Böhmen beschaffen ließ?
    Nur eine Handbreit zu wachsen, hätte mich ruiniert. Sicherlich. Hatten Ferdinands Agenten doch Anweisung, immer Kurioseres, immer Kleineres

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