Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Quere kommen. Das hatte auch ich lernen müssen.
Doch Ambras sollte mich noch ganz andere Dinge lehren.
6
Er war es, der Meister Leoni in die Stadt sandte, um mein Bildnis zu modellieren. Der sagte dies zwar nicht direkt, aber so wenig verkünstelt, dass ich wusste, woher der Wind wehte. Böhmischer Wind. Kein Diplomat, ein berühmter Erzgießer jedoch.
Sein Auftraggeber habe ein Münzkabinett, dort käme ich hinein, sprach der Meister.
Als Münze, um Bier und Wurst damit zu bezahlen?
Nein, es sei ein Schönheitskabinett. Ich solle als Medaillon darin liegen. Gelänge ich gut, sogar in Gold.
Allein?
Nun ja, ich wäre in bester Gesellschaft unter den Schönen dieses Reiches. Und die Sammlung sei berühmt.
Dieses Reiches?
Sei eine Frau nicht dort zuhause, wo ein wahrer Kenner ihre Schönheit schätzt?
Ein wahrer Kenner?
Nun, müsse er sich auf das Wachsmodell konzentrieren. Unter meinen vielen Fragen verderbe es noch.
Der wahre Kenner konnte nur der Habsburger-Geck sein. Ein ewig balzender Hahn, wie man hört. Würde ich zwischen seinen Eroberungen liegen? In Gold? Wo ich ihn doch abgewiesen habe. Abwehren musste.
Will Vater mich doch auch vergolden. Als Eheweib.
Glaubt nun selbst, dem Gold hinterher jagen zu müssen. Dem Gold in seinem Kopf. War plötzlich bereit, für Bartlmä Kontore zu überprüfen, wo es immer wieder zu Ungenauigkeiten kommt. Blieb lange fort. Wurde in Tettnang beim Grafen von Montfort gesehen. Auch die sind Schuldner bei uns.
Vater hätte sich im goldenen Haarnetz einer Oberschwäbin verheddert, hieß es. Einer Ravensburgerin.
Wieder lachte halb Augsburg hinter Mutters Rücken. Und hinter meinem. Die Goldtochter wird noch eine alte Jungfer, äfften sie. Nein, „die ehemalige Goldtochter“, sagten sie. Gäbe es seit dem Bankrott der Spanier bei den welserschen Pfeffersäcken doch nicht mehr viel zu holen. Schon gar keine Goldtöchter mehr.
Der Brief aus Bresnitz, ein Himmelsgeschenk.
Nun führte Tante Loxan die Güter mit Cousin Georg als Burghauptmann.
„Aufmunterung brauche ich. Und eine geschickte Hand, jetzt, wo ich mit dem Vizekönig Geschäfte mache“, schrieb sie. „Machen muss.
Jüngst hat er mir einen Passbrief für einen Trieb Rinder gewährt. Ich ließ sie auf den Hradschin treiben. Direkt in seine Küche. Für einen guten Preis. Als Witwe muss man schauen, wo man bleibt.
Scheust du, liebe Pine, den weiten Weg nicht, schaue ich auch für dich.
Ich habe den Vizekönig auf Hirschen eingeladen. Meine Wälder sind wildreich wie wenige.
Und wer kann einer erschöpften Jagdgesellschaft die besten Augsburger Brandküchlein bereiten, wenn nicht du? Auch für gekühlten Ingwerwein kennst du ein Rezept.
Jeder in der Stadt sollte sich glücklich schätzen, dich heimzuführen. Diese schwäbischen Krämerseelen.“
Besser in Prag in Gold herumliegen, als hier eine verschmähte Goldtochter zu sein, dachte ich.
Doch taugt der Rad schlagende Pfau mit seinem burgundischen, spanischen, böhmischen und ungarischen Blut für ein bisschen Glück?
Keine Bürgerliche sei je ungestraft die Geliebte eines Fürsten gewesen. Und an mehr sei nicht zu denken, gab mir Onkel Bartlmä mit auf den weiten Weg.
Ambras 1569
Geheimnisse
Ein Geheimnis in der Gegenwart eines Zwerges ist wie ein junges Mädchen, das man neben einen Greis ins Bett legt, ihn allein mit ihren körperlichen Ausdünstungen von seiner Impotenz kurieren will.
Wieso einer Versuchung widerstehen, die sich vielleicht nie mehr bietet?
Schon war ich in das Sternenmöbel gekrochen. Bäuchlings. Obwohl ich seit meiner Münchner Pasteten-Karriere sargartige Kisten verabscheue und obwohl mein Oberschenkel und meine Rippen beleidigt taten.
Zunächst fand ich wenig Spektakuläres. Holzlatten und Schnüre, um zerbrochene Knochen zu richten. Säckchen mit Pastillen und Kräutern. Eines mit penetrant riechenden Nüssen. „Muskatnuss für die Verrücktheit“ besagte ein angehängtes Papierzettelchen. Machten sie nun verrückt oder bewirkten sie eben das Gegenteil?
In einer Schachtel, dessen Verschnürung ich schnell gelöst hatte, lagen Glasampullen in Sägespänen, um den kostbaren Inhalt zu schützen. „Liquidum, vom Stein der Weisen“ verriet eine Beschriftung, „Flüssiges Hirn“ eine andere.
Dann fand ich Listen wie diese: „Für den Juli kühle Aromen. Nimm Essig, Seerosen, Pomeranzenöl, Kampfer, Rosen, Nieswurz und Sandelholz.“ „Im Jänner Hitziges. Nimm schwarzen Pfeffer, Muskatnuss, Amber, Ingwer,
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