Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
so etwas konnte und überhaupt wollte.
Doch was war die Mildtätigkeit eines Weibes gegen das helle Licht der Wissenschaft?
Dr. Keller machte uns seine Aufwartung. Kühl. Verbeugte sich andeutungsweise vor dem Kammerdiener, ohne den Patienten und dessen Bettgeschwader richtig anzublicken. Welcher Mann der Wissenschaft würde zu einem Zwerg und zu Damen mit einem dubiosen Ruf auch freundlich sein?
Kellers Nasenlöcher mahnten Thomele zur Vorsicht. Ein Nasenloch war fast dreieckig geformt, das anderer eiförmig oval. Kein einheitlicher Gesell, dieser akademische Wicht.
Ein Knecht schleppte ächzend eine große Truhe herein, über und über mit silbernen Sternen bemalt. Jeder Einfaltspinsel sollte wohl erkennen, dass deren Besitzer über dem irdischen Jammertal schwebte und nach den Sternen griff. So, wie der Planetenleser dünn war, war sein auch ganz in schwarz gekleideter Gehilfe korpulent.
Ohne Honorar würde sein Instrumentarium nicht geöffnet. Mit vier Gulden sei er schlecht bezahlt, könne aber eine gnädige Ausnahme machen. Sei der Kranke doch nur ein halber Mensch, so Keller mit einer abwinkenden Handbewegung in meine Richtung. Dr. Kellers Gehilfe lachte über den vermeintlichen Witz seines Herrn.
Weibergetuschel. Ich hörte die alte Unbekannte flüstern, sie glaube, sie hätte den Medikus schon einmal gesehen.
Schließlich war es die Loxan, die ihrer Gürteltasche Münzen entnahm und sie Dr. Keller überreichte. Zwei Münzen.
„Genug für eine Kostprobe. Sind wir zufrieden, kommt der Rest und ein Gulden obendrein“, sagte sie.
„Eine Frechheit für jemanden, der nach der höchsten Erkenntnis forscht. In einer Ampulle habe ich ein Lebenselixier, vom Stein der Weisen extrahiert“, so Dr. Keller barsch. „Auch Armesünderfett führe ich, das mürbe Knochen, Gicht, Rheuma und Zahnweh heilt. Der geschätzte Kollege Handsch erwarb einen ganzen Tiegel. Die Gewinnung der Substanz ist unerfreulich.“
„Nun?“, fragte die Loxan, ihre Miene so hart wie ihre Stimme.
Die Mundwinkel Dr. Kellers zuckten. Sein ganzes Gesicht verformte sich wie dünnes Papier, das eine unsichtbare Hand zerknittert. Diesem Antlitz fehlte jegliches Unterfett, was seinem Ausdruck etwas ungemein Kränkliches gab. Ein ausgemergelter, gerupfter Storch. Mit einem Knödel als Gehilfen. Kein Heilkundiger, der sich selbst zu behandeln weiß.
„Nieren- und Gallensteine, jede Wette“, flüsterte die Unbekannte den anderen Damen zu.
Auch Dr. Keller murmelte vor sich hin. Aus dem Wortbrei hörte Thomele nur „unverschämt“ und „Unverstand“ heraus.
Dennoch gab er seinem dicken Knecht ein Zeichen, woraufhin dieser die Sternenkiste aufschloss und ihr eine schmucklose Ledertasche entnahm, die er seinem Herrn mit einem unterwürfigen Kratzfuß überreichte.
Auf einem Tisch breitete Dr. Keller deren Inhalt aus: drei Sägen und Zangen, verschiedenartige Messer, Pinzetten, einen Hammer und zweierlei Knochenmeißel. Erstaunlich, wo die Menschenschneiderei doch zum Handwerk der Bader gehört. Vielleicht gab es zu wenige in Tirol.
Auch unterschiedlich große Schalen drapierte er. Nach Fassungsvermögen aufgereiht. Eine kaum größer als eine Nussschale, wohl um Kindern Blut abzuzapfen. Die größte Blutschale dergestalt, dass der Zwerg darin hätte baden können.
Einen Schröpfschnepper legte Dr. Keller sichtbar stolz dazu, ein neumodisches Messer, das nach dem Anritzen einer Ader zurückschnappt und so ein schnelles Hantieren bei unwilligen Patienten erlaubt. Ich hatte dergleichen schon bei Dr. Handsch gesehen.
Nun zückte Dr. Keller ein Klistier wie eine Waffe. Eine gigantische Einlaufpumpe, wie für Giovanni Bona geschaffen, zu gerne hätte ich gesehen, wie dieses Doktorlein den Arsch des Riesen damit malträtiert. Wickelte zur Vorsicht aber die Decke fester um mich.
„Die halbe Portion ist voller Schleim. Der stockt im Gedärm, der muss heraus“, sprach er und stieß die metallene Spitze des Gerätes in meine Richtung, als wolle er die Luft penetrieren.
„Von ihm erwarten wir nur die hohe Kunst der Medizin“, sagte die Loxan, um Freundlichkeit bemüht.
Dr. Kellers Gesicht geriet erneut in Bewegung, so etwas wie Genugtuung schien die Papierhaut zu straffen.
Auf den Wink seines Herrn zog der Dienerknödel eine weitere Ledertasche hervor. Sie enthielt eine Matula, die mit meinem Urin gefüllt werden sollte, so viel war klar, wo dieses kolbenförmige Glas doch das Symbol dieses Berufes ist.
Vor den Damen wollte mir dies
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