Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Sachse sehr eng miteinander waren, beide hatten Jahre ihrer Kindheit gemeinsam in Innsbruck verbracht, unter der Fuchtel des gestrengen Johannes Rivius. Jetzt noch kicherten sie wie Knaben darüber, dass sie dem Schulmeister einmal die Bücher mit Honig zusammengeklebt und ein Hornissennest in die Gelehrtenkammer geschmissen hatten.
Kaum war man gestärkt und von noch mehr Wein erheitert, ging es zum Armbrustschießen auf Scheiben.
Zwei Gewinne hatte Ferdinand ausgesetzt: einen goldenen Becher im Wert von zweiundzwanzig Gulden und einen Ring im Wert von sechs Gulden.
Die Herren, allesamt Ritter, sollten in den Weibern ihre Meister finden. Philippine errang den kostbaren Hauptgewinn und ihre Tante Loxan den Ring.
„Alles Betrug“, schimpfte Firmian, „seit wann kann eine Krämerstochter schießen?“
„Wer die Welser Krämer nennt, muss die Habsburger Bettler heißen und die Tiroler Lumpensammler“, sagte der Sachse, der alles mitangehört hatte, so laut heraus, dass der Beschwerdeführer rot anlief.
Ferdinand gab dem lustigen Tischrat Frank ein Zeichen, da die Stimmung zu kippen drohte.
Der zog eine kleine Büchse hervor und rief zur Jagd, von allen Herren lauthals begrüßt. Dann blies er ein schräges Halali in ein kleines Horn und feuerte eine Salve auf die Vogelschnäblin ab.
Der Schuss war nicht tödlich, aber verheerend, denn seine Waffe war mit Ruß und Käsewürfelchen gestopft.
Die bis zur Brust Geschwärzte und Besudelte stürzte sich auf Frank. Der war der Angreiferin aber an Kraft und Größe derart überlegen, dass er sie leicht abwehrte und grob an den Zimthaaren riss.
Von Wein erhitzt, feuerten einige Herren das Zwergengezänk an. „Reiß ihr das rußige Gewand vom Leib“, grölte der Liechtensteiner, wohl bemüht, ihren Besitzer zu beleidigen.
„Das ist ja besser als jeder Hahnenkampf“, juchzte Ferdinand von Bayern.
Es war Thomele, der den Wurstzwerg grob zu Fall brachte, indem er ihm einen Fuß wegzog. Es war auch Thomele, der nach dem Liechtensteiner trat, ihn am Schienbein traf, um dann nach dem Sachsen zu treten, den er knapp verfehlte. Dabei schrie er:
„Herzloser, wie kannst du das zulassen? Missachten die Sachsen so ihre Frauen?“
Es war Giovanni Bona, der mich an meinem Kragen emporschweben ließ, und es war Philippine, die voreilte, um das in der Luft mit allen Gliedmaßen rudernde Wutknäuel zu beruhigen.
„Muckeschisse verruckt, wege piccolina verruckt“, sagte Giovanni, der für einen Riesen erstaunlich viel begriff.
„Er hat ein Herz wie ein Löwe, euer Stumpen“, sagte der Sachse nach betretenem Schweigen. „Und er hat Recht, ich selbst habe derbe Gewalt an Weibern in meinem Reich verboten. Außer, wenn sie es wünschen.“ Die Herrenrunde grölte.
„Euer Zwerg schuldet mir etwas, Fürst“, zischte der Liechtensteiner, als er an meinem Herrn vorbeistrich.
So kam es – nach noch mehr Wein und einer Jagd im Wildanger, die viel Rotwild und alle Sauen erledigte – zu einer unheilvollen Wette. Sie sah dergestalt aus, dass der Liechtensteiner behauptete, der Zwerg mit dem Löwenherz sei nie so mutig, mit einem Bären zu tanzen. Einem zahmen Bären. Denn solche hätte man in den Tierzwingern gesehen. Fett und faul seien sie.
Der Sachse befeuerte diese Idee, indem er damit prahlte, die Vogelschnäblin wäre bei einem Zirkus zu Ehren des russischen Zaren auf einer Löwin in die Arena eingeritten. Halbnackt, wie er mehrmals betonte. Auf einer ausgewachsenen Löwin. In Russland lasse man bei Hofe Zwerge sogar öffentlich kopulieren zur Belustigung der Zuschauer. Doch so etwas gäbe es bei ihm nicht.
Damit war mein Schicksal besiegelt. Die Damen waren bestürzt, sogar Ferdinands Schwestern. Die Nasenlöcher der staatsgeheimen Herrin von Ambras zitterten einmal mehr, da heftige Gefühle sie umtrieben. Wusste sie doch, dass Braunkittel und Ursina wenig freundlich waren. Jüngst hatten sie Konrad, ihren Wärter, verletzt. Eine Jagdhündin, die in das Bärengehege auf Futtersuche eingedrungen war, hatten sie zerrissen.
„Der Zwerg überlebt das nie“, schimpfte die Loxan laut. Doch wer redet einem Mann eine Männerwette aus? Unter Fürsten, mit genau den Zeugen, die ihn das Gesicht hätten verlieren lassen. Speziell im mannhaften Tirol.
So redete Philippine beruhigend auf die Vogelschnäblin ein.
Sie weinte. „Er stirbt, meinetwegen“, schluchzte sie und weiße Schlieren zogen sich durch ihr vom Ruß nur notdürftig gereinigtes Gesicht.
Dann ließ
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