Die Wolkenkinder
des Hauses deren Von Waldeck.
„Da drin lebt der alte Graf“, erklärte Ruppert, „Selbst wenn wir die Unterburg nehmen und auch noch in die Kernburg vordringen könnten, was mir gelinde gesagt, fast unmöglich vorkommt, haben wir den Alten noch lange nicht. Dieser Bergfried ist eine eigenständige Verteidigungsanlage mit eigener Zisterne, in der er sich für Monate verschanzen könnte.“
„ Na gut, dann belagern wir ihn halt monatelang!“ antwortete Randolf mit verkniffenem Gesicht. „So! Jetzt müssen wir uns aber sputen, Dietbert ist in seiner Lage schließlich auch in Gefahr! Also: Wo geht’s zum Verlies?“
„ Der Zugang ist auf der unteren Ebene der Burg, dem sogenannten Flachsboden!“
„ Auf was warten wir dann noch?“ stieß Randolf, der es verständlicherweise äußerst eilig hatte, Ruppert voran.
Sie kamen an einem kleinen, halb zerfallenen Gebäude vorbei, dass in einer halbdunklen Ecke, stark mit Ranken überwuchert, den Eindruck machte, als hätte man es da vor Hunderten von Jahren einfach vergessen. Auf den fragenden, fast ängstlichen, Blick Randolfs antwortete Ruppert mit bedeutungsvollem Augenaufschlag: „Die Gruft!“ Kurz danach kamen sie wieder auf der unteren Ebene der Anlage an.
Auf der Burg herrschte reges Treiben und Ruppert kam nicht umhin, den einen oder anderen zu grüßen und hie und da, auf Nachfragen, Randolf als neues Mitglied vorzustellen. Ihre Tarnung hielt – keiner dachte sich etwas beim Anblick der beiden – sie und ihre Lügengeschichte wurden akzeptiert.
Jetzt kam der schwierige Teil ihrer Aufgabe. Randolf und Ruppert standen vor einer schweren Holzbohlentür, hinter der die Treppe zu den Kellern und somit auch zum Verlies führte. Sie schauten sich beide noch einmal, tief Luft holend, in die Augen, gaben sich einen inneren Ruck und Ruppert drückte die geschmiedete Klinke der schweren Tür behutsam herunter.
Muff und Fäulnis stiegen ihnen in die Nasen; die Wände wurden feuchter, je tiefer sie kamen - und sie kamen sehr tief. Fackeln in gusseisernen Wandhaltern erhellten in größeren Abständen die Wendeltreppe, zwischen den Fackeln wurde es so dunkel, dass man kaum bis zum Boden sehen konnte. Aufwinde aus den Tiefen der Burganlage strichen kalt über ihre Gesichter und ließen die Flammen der Fackeln auffauchen. Ihre Schritte verhallten irgendwo im Abgrund. Randolf dachte, dass so der Weg zur Hölle aussehen musste.
Auf der untersten Ebene angelangt, schlug Ruppert einen, im Dunkel verschwindenden, Gang nach links ein. Ein kalter Hauch ging durch die Flure. Ihre Schritte klackerten hell auf unregelmäßigen Natursteinplatten – dies schien der Felsgrund zu sein, auf dem die ganze Burg stand.
„ Da vorne!“ raunte Ruppert düster und Randolf ruckte es gewaltig im Magen, als er die Silhouette eines Mannes vor einem schwach flackernden Lichtschein sah. Beim Näherkommen stellten sie fest, dass nur diese eine Wache anwesend war und dass der Kerl nicht einmal so aufmerksam war, wie er sein sollte, sondern gab sich vielmehr einem kleinen Nickerchen hin.
Etwa zehn Schritte, bevor sie den Mann erreicht hatten, stockte Ruppert. Er gebot Randolf, mit einem drückendem Handzeichen nach unten, abzuwarten, schaute noch einmal, mit gekniffenen Augen genauer hin und zog, als er sich vollkommen sicher war, Randolf in eine Felsnische, um ihm ins Ohr zu flüstern: „Den kenne ich gut! Das ist der dicke Gebhard! Man könnte sogar sagen, dass wir so etwas wie Freunde sind!“
„ Da musst du durch! Aber wenn du willst, dreh dich rum, ich erledige ihn schnell und schmerzlos.“
„ Nein! Das will ich nicht!“
„ Was soll das heißen?“ zuckte Randolf zurück und zog sofort seinen Dolch, um dem eventuellen Verräter den Garaus zu machen. „Du willst mich doch nicht reinlegen, oder?“
„ Quatsch! Nimm das Ding weg! Ich dachte nur, wir könnten die Sache anders erledigen!“
„ Wieso denn das auf einmal? Wir hatten doch klare Absprachen! Oder nicht?“
„ Ich sagte doch bereits: Ich kenne den Mann gut. Er ist ganz nett und nur hier, weil man ihn gut bezahlt! Der steht genauso wenig hinter der Sache vom Alten wie du und ich!“
Randolfs Gedanken flogen ärgerlich hin und her: Dieser idiotische Ruppert gefährdete den ganzen Einsatz. Wenn sie noch weitere wertvolle Zeit mit so dusseligem Gerede vertun würden, käme womöglich noch die zweite Wache zurück, darüber
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