Die Wolkenkinder
und Gebhard wusste, wo er ein paar kürzlich von ihm selbst totgeschlagene Ratten ausgraben konnte, die schon ziemlich verwest waren und dementsprechend gotterbärmlich zum Himmel stanken. Wenn man diese Viecher mit ins Leinen packen würde, wäre die Illusion einer Leiche perfekt, keiner der Wachleute am Tor hätte Lust, sich die Sache näher anzuschauen und man würde sie anstandslos passieren lassen und Ferdinand konnte der bestialische Geruch egal sein – in seinem Zustand nahm er sowieso kaum noch etwas war – immerhin, wenigstens ein kleiner Vorteil in seiner misslichen Situation.
Mit Ferdinand und den verrotteten Ratten in altes Leinen gewickelt, keuchten nun Randolf, Ruppert und Gebhard die glitschige Wendeltreppe empor – kaum zu glauben, wie schwer es war, einen einzelnen Mann so zu transportieren – ab heute würde Randolf die Arbeit von Totengräbern mit weit mehr Respekt sehen als bis her!
Oben angekommen schleiften sie den vermeintlichen Leichnam auf den Hof und riefen, gespielt entsetzt, lautstark nach Hilfe.
„ Was ist denn los!“ kam Hauptmann Hartwig mit ärgerlichem Gesicht über den Hof gerannt. „Was schreit ihr hier denn so herum, verdammt noch mal!“
„ Der Gefangene!“ gab Kerkerwache Gebhard zur Antwort und versuchte dabei ein entsetztes Gesicht zu machen.
Hartwig sah das Leinenbündel, begriff und äußerte lässig: „Na und! Ist er halt abgekratzt! Ich habe schon bessere Männer sterben sehen!“ Er ging auf den Leinensack zu, um den Inhalt zu besichtigen.
„ Würde ich nicht tun!“ warnte ihn Ruppert mit hochgezogener Stimme.
„ Was denn? Was denn? Wer wird denn da so empfindlich sein?“ war Hauptmann Hartwig völlig gelassen. „Noch nie einen Toten gesehen?“
„ Riechst du denn nicht!“
„ Leichengestank!“ stellte der alte Kämpfer leidenschaftslos fest. „Nichts Besonderes!“
„ Aber der Mann hat schwarze Beulen!“
Hartwig hatte gerade den äußersten Zipfel des Sackes angefasst, als ihm die Worte „schwarze Beulen“ ans Ohr schmetterten. Regungslos verharrte er in jeglicher Bewegung, seine Gedanken schossen wild hin und her und er hielt solange die Luft an, wie noch nie im Leben zuvor. Ohne auch nur einen Atemzug zu tun drehte er sich blitzartig ab, sprang etliche Fuß, wie ein Tanzbär auf heißen Kohlen, weit davon und schaute entsetzt auf den Leinensack am Boden.
„ Ihr blöden Arschlöscher!“ stieß er speichelspuckend hervor. „Ihr habt mich zu spät gewarnt! Sowie ich die erste Beule habe, mach ich euch alle schnell noch kalt, bevor ich selbst verrecke! Schafft den Haufen Scheiße hier vom Hof und dann seid ihr alle bis auf weiteres vom Dienst befreit! Ihr könnt bleiben, wo der Pfeffer wächst, hier habt ihr jedenfalls nichts mehr zu suchen! Am besten ihr schafft den Kerl bis zur Stadt hinunter! Ich will nichts mehr von diesem Mist hören oder sehen! Ist das klar?“
Hartwig hielt plötzlich in seiner Fluchtirade inne. Der alte Fuchs überlegte, denn seine letzten Worte hatten ihn auf eine teuflische Idee gebracht. „Hm ... Also gut! Ihr könnt euch noch einmal bewähren! Wenn ihr folgendes erledigt habt, könnt ihr wieder zu uns zurückkehren: Ihr bringt den Leichnam in die Stadt, werft ihn da auf den Marktplatz und kommt dann wieder her! Alles Klar!“
Und dann lass ich euch vor unseren Toren erschießen ihr dreckigen Ratten, dachte er dabei in sich grinsend.
„ Alles klar!“ salutierte Gebhard.
„ Sehr schön!“ freute sich Hauptmann Hartwig.
Die Männer packten an und trugen den armen Ferdinand auf das untere Torhaus zu.
„ Moment noch!“ rief sie Hartwig aus sicherer Entfernung an. Er hastete an ihnen in weitem Bogen vorbei, suchte seine Wachen auf und sprach sie an. Randolf konnte zwar kein Wort hören, aber sich sehr gut vorstellen, was da gerade gesagt wurde und amüsierte sich prächtig über die entsetzten Gesichter und die kopflose Flucht der Wachmänner.
Hartwig, der sich selbst auf eine entlegene Zinne gemacht hatte rief, nachdem alle Soldaten in Sicherheit waren: „So, Männer! Jetzt könnt ihr verschwinden. Und denkt daran: Schön sichtbar auf dem Marktplatz auslegen!“
„ Wird gemacht, Hauptmann!“ bestätigte Gebhard. „Und dann kommen wir so schnell als möglich zurück!“
„ Wie...? Was...?“ stammelte der Hauptmann von seinem Adlerhorst herunter. „Ach ja: Ihr kommt dann so schnell wie
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