Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
gruben. Die beiden Kutschpferde waren kräftige Rappen, auf deren Mähnen und Geschirr sich eine Puderschicht aus Schnee gebildet hatte. Der Kutscher kauerte auf dem Bock in seinem dicken Mantel. Er trug einen breitkrempigen Hut und hatte gegen die Kälte einen roten Schal über Kinn und Nase gezogen. Dieser Schal war der einzige Farbfleck in der Landschaft.
Die Hausdame ging hinaus, um die Post entgegenzunehmen und sie über die Treppe zur Halle hinaufzubringen.
Philippa drehte sich vom Fenster ab und entzündete mit einem Streichholz, das am Kamin bereitlag, das Feuer. Sie hatte das gerollte, zusammengebundene Dokument auf dem Stapel Briefe in den Händen der Hausdame gesehen. Selbst aus der Entfernung hatte sie die Vorladung vor den Rat der Edlen erkannt. Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter sein können. Das bedeutete, sie musste den Fall allein vor dem Rat vortragen.
Philippa setzte sich in Margrets Sessel und zog das Stundenbuch zu sich. Eine große Aufgabe stand der Akademie bevor, und es fiel ihr allein zu, sie zu bewältigen.
Als die Hausdame an die Tür klopfte, die Vorladung hereinbrachte und sie auf den großen Schreibtisch legte, hielt Philippa einen Stift in der Hand und hatte das Stundenbuch aufgeschlagen. Sie sagte nur: »Danke, Hausdame. Könnten Sie mir bitte eine Tasse Tee bringen und Meisterin Stern bitten, zu mir zu kommen? Wir werden wohl einige Veränderungen hier vornehmen müssen.«
Kapitel 32
D er Rat hatte die Anhörung der Klage von der Akademie auf den nächsten Tag angesetzt. Philippa stand früh auf und zog sich sorgfältig an. Bereits jetzt schmerzte ihr Nacken vor lauter Anspannung, und der Weinkrampf vom Vortag hatte auch nicht gerade geholfen.
Ohne Margret war ihre Position beträchtlich geschwächt. Margrets pragmatische Art und ihre lange, ehrenvolle Dienstzeit hätten im Rat einiges Gewicht gehabt. Eduard Krisp hätte ihr bestimmt zur Seite gestanden und sich ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Fürsten angelegt, doch der neue Zuchtmeister, dieser unfähige Jinson, war überhaupt keine Hilfe. Sie hatten überlegt, Eduard zu bitten, sie zu begleiten und zu unterstützten, aber sie und Margret hatten das Gefühl gehabt, dass sie in ihren adretten schwarzen Trachten, die Haare zu einem Reiterknoten frisiert und mit den glitzernden Flügeln am Revers ausreichend Eindruck in der Rotunde machen würden. Jetzt war es zu spät, Eduard zu erreichen. Nachdem seine eigene Klage gegen den Fürsten abgewiesen worden war, hatte er sich auf seinem Familienanwesen im Ostreich zur Ruhe gesetzt, weit außerhalb der Reichweite des Fürsten.
Frans lag krank in Fleckham, und Margret war nicht mehr da. Außer Philippa gab es nun niemanden mehr, der sich für die Reinhaltung der Blutlinien einsetzen konnte.
Sie trat vom Spiegel zurück und prüfte ihr Erscheinungsbild.
Sie hatte sich Mandelcreme ins Gesicht gerieben und sorgfältig die Haare gebürstet. Nachdenklich fasste sie nach ihrem Reiterknoten. Das lebendige Rot ihrer Kindheit hatte sich in ein gedecktes Rotbraun verwandelt, das nun von grauen Strähnen durchzogen war. Um ihre Augen hatten sich Fältchen gebildete, ein Tribut, den Sonne und Wind dort oben am Himmel ihr abverlangten. Die Hausdame hatte ihr Wams frisch gebügelt, sie hatte den Gürtel um ihre schlanke Mitte gebunden, und ihre Stiefel glänzten. Mehr konnte sie nicht tun.
Kurz wünschte sie sich, dass sie wie Larkyn ein Zeichen von Kalla bei sich hätte, doch das war ein abwegiger Gedanke. Sie hatte nie an solche Dinge geglaubt, und es war einfach zu albern, ausgerechnet jetzt damit anzufangen.
Da es drohte, noch mehr zu schneien, konnte sie nicht in die Weiße Stadt fliegen, was ihr lieber gewesen wäre. Herbert hatte das gefleckte Pony namens Schweinchen vor den Einspänner gebunden und wartete vor dem Wohnhaus auf sie. Philippa zog ihren wärmsten Mantel an und streifte die Handschuhe über. Sie nahm die Genealogie, die sie behutsam in ein Leinentuch gewickelt hatte, und hielt sie an ihre Brust gedrückt, als sie in den Einspänner stieg. Womöglich würde die Genealogie nicht den Rat überzeugen, doch ihr Gewicht und ihre Bedeutung bestärkte wenigstens sie selbst in ihrem Entschluss.
Herbert nahm die Zügel und sprach mit Schweinchen, woraufhin sich das Pony auf den Weg durch die verschneite Landschaft nach Oscham machte.
Die weiße Marmor-Rotunde lag auf einem niedrigen Hügel. Bei der Kälte hingen die bunten Wimpel schlaff herunter. Vor dem breiten Eingang
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