Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
er handelt, und seinen Mut, mit der überholten Tradition zu brechen«, verkündete er.
Philippa starrte ihren Bruder fassungslos an. Der Schmerz zog sich ihren Nacken hoch bis in ihren Kopf. Ihre Stimme klang angespannt, als sie erwiderte: »Es geht hier nicht um einen willkommenen Bruch mit Traditionen. Graf Inseehl weiß nicht um die Natur der geflügelten Pferde. Fürst Frans dagegen kannte sie sehr genau, ebenso wie Fürst Friedrich, unser letzter Fürst. Geflügelte Pferde werden niemals Männer als Flieger akzeptieren, weil sie es nicht können. Es ist keine Entscheidung, die von Menschen getroffen wurde, sondern von der Macht, die sie geschaffen hat. Fürst Wilhelms Einmischung könnte den Tod seines Fohlens bedeuten und vielleicht den vieler anderer. Es ist ein vergeblicher Versuch.«
Wilhelm lachte herablassend. »Bis jetzt lebt das Fohlen, was beweist, dass die Pferdemeisterin sich irrt.«
Philippa musterte ihn und hatte auf einmal einen abscheulichen Verdacht. »Und wie viele Fohlen sind schon bei Ihren Versuchen gestorben, Durchlaucht?«, fragte sie scharf.
Bei dieser Frage bekam Wilhelm ganz schmale Lippen und verspannte sich. Er wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht, aber er sprach laut genug, dass alle ihn hören konnten. »Wir schlagen vor, dass Pferdemeisterin Winter aus der
Himmelsakademie entlassen wird. Pferdemeisterin Irina Stark ist vergangenes Jahr durch Verschulden von Philippa Winter zu Tode gekommen, und wir erwarten, dass die Pferdemeisterinnen der Akademie zur Feindschaft zwischen den beiden befragt werden. Wir schlagen vor, dass Graf Inseehl die Verantwortung für seine Schwester übernimmt und sie in seinem Haus unter Arrest gestellt wird, bis sie gelernt hat, Respekt von ihrem Fürsten zu zeigen. Vielleicht wäre es eine gute Gelegenheit, ihre Stute decken zu lassen, während sie Zeit hat, über ihre Fehler nachzudenken.«
Mersin lächelte Philippa kühl an. Sie drehte den Kopf weg und wollte den triumphierenden Ausdruck in seinen Augen nicht sehen. Natürlich war es genau das, was er wollte, und vielleicht hatte er sich sogar schon heimlich mit Wilhelm abgesprochen. Dass er auf Kosten seiner Schwester handelte, interessierte Mersin überhaupt nicht. Es hatte ihn noch nie interessiert. Was für ein Narr ihr Bruder doch war! Wilhelm würde ihn gedankenlos fallen lassen, wenn es seinem Ziel zuträglich war.
Philippa verschränkte die Arme und hielt, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, fest die Ellbogen umklammert. »Ich wünschte, dass die Leiterin der Akademie heute an meiner Seite stünde. Sie könnte viel geschickter über dieses Thema sprechen als ich. Aber ich bedauere, sagen zu müssen, dass …« Philippa hielt inne und erschrak, weil ihre Brust auf einmal wie zugeschnürt war. Sie schluckte und fasste sich an den Hals, als könnte sie mit den Fingern den Kloß vertreiben. Sie bekam kaum Luft, und ihre Stimme klang rau, als sie sagte: »Ich bedauere sehr, edle Herren, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Margret Morghen, vormals Margret Himmelsstürmer, in der Nacht zuvor im Schlaf verschieden ist. Ich versichere Ihnen, dass sie sich sehr um
die geflügelten Pferde bemüht hat und über diesen Angriff auf die Blutlinien vollkommen entsetzt war.«
Murmeln machte sich in der Rotunde breit; es klang schockiert, mitfühlend und auch einfach nur neugierig. Philippa beugte sich vor und legte beide Hände auf die Genealogie. Das Buch schien ihr Kraft zu geben, und der Kloß in ihrem Hals löste sich. Sie stellte sich vor, wie ruhig Margret zum Rat gesprochen hätte, wie pragmatisch sie angesichts von Wilhelms Gegenargumenten reagiert hätte. Sie richtete sich auf, ließ die Fingerspitzen auf dem geprägten Lederumschlag liegen und wartete, bis der Vorsitzende die Ruhe wiederhergestellt hatte.
Als der Saal still war, holte Philippa tief Luft. »Fürst Wilhelm«, sagte sie laut und deutlich, »hat seinen Körper verändert. Ich weiß nicht wie, aber ich glaube, das ist der Grund, warum es ihm überhaupt gelungen ist, ein geflügeltes Fohlen an sich zu binden. Nur: Ist das wahrlich von Dauer? Oder wird hier einfach ein geflügeltes Fohlen verschwendet, weil der Fürst sich eine Ungeheuerlichkeit anmaßt?« Sie zögerte und kostete die bedeutungsvolle Stille aus, die in der Rotunde herrschte. Neugierige Blicke richteten sich auf Wilhelm, der ob dieser Aufmerksamkeit die Augen finster zusammenkniff.
Baron Apfelweiß erhob sich. »Ist das wahr, Durchlaucht?«, fragte er.
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