Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
umhergeschleift wurde, weil du nicht damit belästigt werden wolltest, es zu suchen.«
»Vater hat sich immer für dich geschämt«, schnaubte Wilhelm. »Für seinen weibischen Sohn.«
Bei diesen Worten musste Frans einfach lachen, obwohl es nur ein schwaches Keuchen war. »Ausgerechnet du nennst mich weibisch ?« Er holte kurz Luft und zuckte bei dem Schmerz in seinem Rücken zusammen. »Du hast ja größere Brüste als Philippa.«
»Das ist nur eine Nebenwirkung, mehr nicht. Ich bin immer noch ein Mann.«
»Aber du klingst wie ein zwölfjähriger Junge.«
Wilhelm schlug nervös mit der Gerte gegen den Bettpfosten. »Hüte deine Zunge, Bruder, oder ich schwöre, dass ich dich auspeitsche wie einen Hund.«
»Ach.« Nun geriet Frans richtig außer Atem. »Ich habe gehört, dass du eine Schwäche für so etwas hast. Es hat schon zwei tote Mädchen gegeben, nicht wahr? Oder waren es sogar noch mehr? Vielleicht sollte ich den Rat auch darüber unterrichten.«
Mit einem Schrei stürzte Wilhelm sich auf seinen Bruder und zog ihm die Gerte quer über das Gesicht.
Er hob den Arm, um noch einmal zuzuschlagen, doch als die Gerte herabsauste, packte Frans sie und zog daran. Wilhelm riss ebenfalls heftig daran, und Frans verließen die Kräfte. Er fiel vom Stuhl und stieß mit der Schulter gegen den Nachttisch, so dass Glas und Karaffe auf den Eichenboden krachten und in ein Dutzend Teile zersprangen, während das Wasser seinen Morgenmantel durchnässte und auf Wilhelms Stiefel spritzte.
Sofort ertönte ein Klopfen an der Tür, und die Schwester steckte den Kopf herein. »Ist alles in Ordnung, edler Herr?«, fragte sie und sah erst dann, dass Frans auf dem Boden lag. »Oh, edler Herr!«, rief sie und wollte zu ihm eilen.
Wilhelm winkte ab. »Ein Unfall«, sagte er weich. »Ich helfe meinem Bruder selbst zurück ins Bett. Besorgen Sie ihm aber bitte einen frischen Morgenmantel. Dieser ist nass geworden.«
Er beugte sich hinunter und half Frans erstaunlich behutsam vom Boden auf, als wäre sein Ärger verflogen. Er zog ihm den nassen Morgenmantel aus, ließ ihn auf den Boden fallen und schlug die Decken zurück. »Wirklich, Frans, du
musst vorsichtiger sein«, sagte er. »Es ist besorgniserregend, wie geschwächt du bist.«
Frans steckte die Beine unter die Laken und unterdrückte ein Stöhnen, denn die Bewegung bereitete ihm Schmerzen. Er ließ sich in die Kissen zurücksinken und starrte seinen Bruder an. »Bist du verrückt, Wilhelm?«
»Nein, nein«, erwiderte Wilhelm. Er schenkte Frans ein schiefes Grinsen, das einst so anziehend in seinem Gesicht gewirkt hatte. »Wenn ich verrückt wäre, würde ich dich für immer zum Schweigen bringen.« Er beugte sich hinunter, und Frans konnte nicht verhindern, dass er zurückzuckte. Wilhelm lächelte wieder und berührte Frans’ Wange dort, wo der Striemen der Gerte brannte. »Das könnte ich sicherlich. Aber das wäre nicht gut für das Fürstentum, nicht? Du bist schließlich der einzige Verwandte, den ich habe.«
»Wilhelm«, sagte Frans schwach. »Was immer du mit deinem Körper anstellst … du musst damit aufhören. Du bist nicht mehr du selbst.«
»Ich werde nicht aufhören. Ich will fliegen. Dort drüben in meinem Privatstall steht mein wunderschönes silbernes Fohlen.« Er zeigte mit der Gerte durch das Fenster auf das Birkenwäldchen. »Es gehört mir, Frans. Es ist an mich gebunden.«
»Unser Vater wäre über die Verschwendung eines geflügelten Pferdes empört gewesen«, flüsterte Frans.
Wilhelm sah ihn düster an. »Es ist nicht verschwendet, das verspreche ich dir«, sagte er eisig. »Und vielleicht wäre Vater stolz auf einen Sohn gewesen, der fliegen kann.«
»Dann bist du also eifersüchtig, nicht wahr? Du kannst ihm einfach nicht verzeihen«, stellte Frans fest.
»Alles, was ihn interessiert hat, waren geflügelte Pferde. Und natürlich die Frauen, die sie fliegen«, sagte Wilhelm.
Frans konnte darüber nicht lachen. Sein Bruder war ein grausamer und selbstsüchtiger Mann, doch er war gewiss nicht dumm. Als Wilhelm ihn verließ und die Treppe hinunterpolterte, überlegte Frans, wie schlimm es bereits um den Verstand seines Bruders bestellt sein musste, wenn er die Ironie seiner Worte nicht mehr erkannte.
Wilhelm ritt die Auffahrt von Fleckham hinunter, doch er bog an der Straße nach links zu dem kleinen Stall ab, wo das Fohlen auf ihn wartete. Er glitt aus dem Sattel, und Jinson kam heraus, um ihm die Zügel des Wallachs abzunehmen.
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