Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
bitten konnte. Dem Geräusch nach mussten dort Dutzende von Arbeitern am Werk sein.
Sie trat aus den Stallungen hinaus.
Direkt neben der Kiesauffahrt vor dem Stall sah sie sich zwei Soldaten in der schwarz-silberfarbenen Uniform des Fürstenpalastes gegenüber. Sie grüßte die Männer nicht, und die Milizionäre ignorierten sie ebenfalls. Zwei weitere Soldaten waren am Rand des Buchenwäldchens postiert, von wo aus sie die Trockenkoppel, den hinteren Ausgang des Stalls und die Weide überblicken konnten. Amelia drehte sich um und ging zurück in die Sattelkammer. Sie würde sich nicht blamieren und testen, wie wachsam die Männer waren. Die Akademie, sagte sie sich, sorgt dafür,
dass ich bald freikomme. Die Akademie würde nicht zulassen, dass sie hier lange darben musste. Gemeinsam mit den anderen Mädchen der ersten Klasse sollte sie Mahagoni bald reiten und kurz darauf fliegen. Sie musste dringend trainieren.
Spätabends klopfte der Sekretär von Baron Riehs an der Tür zu den Gemächern der Pferdemeisterinnen und bat Lark, ihn zum Besprechungszimmer seines Herrn zu begleiten. »Der Baron bittet um Entschuldigung, dass er nicht persönlich kommen kann«, sagte der Mann mit einer leichten Verbeugung. »Er hatte über mehrere Stunden hinweg eine vertrauliche Unterredung mit dem Prinzen und muss jetzt einige dringende Briefe schreiben.«
Lark war bereits aufgesprungen, um ihn zu begleiten, doch Meisterin Rose sagte schnell: »Wenn der Baron eine Fliegerin braucht, soll er eine von uns bitten. Die junge Dame hat noch nicht ihre Flügel.«
»Bitte, Meisterin Rose«, hob Lark an, doch der Sekretär fiel ihr ins Wort.
»Baron Riehs wünscht Mistress Schwarz wegen seiner Tochter Amelia zu sprechen.« Lark biss sich auf die Lippe und wartete. Langsam fuhr der Sekretär fort. »Baroness Amelia ist Schülerin der ersten Klasse an der Himmelsakademie.«
»Oh, ja«, sagte Lark. »Ja, das ist sie, und ich bin ihre Tutorin.«
Der Sekretär hielt Lark die Tür auf, und sie eilte hinaus. Hinter sich hörte sie, wie der Sekretär den Pferdemeisterinnen versicherte, dass er sie bald zurückbringen würde. Lark war bereits ein ganzes Stück den Flur hinuntergelaufen, als er sie einholte.
»Was ist los?«, fragte sie ihn, als sie auf die Mitte des Palastes zugingen. »Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht, Mistress«, erklärte er und klang dabei genauso ausdruckslos wie im Gespräch mit Meisterin Rose. »Ihre Hoheit wird Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen.«
Seltsam, wie Baron Riehs arbeitet, dachte Lark. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass Fürst Wilhelm ziemlich häufig allein mit seinem braunen Wallach zu sehen war, doch der Baron schien ständig von einer ganzen Schar Assistenten umringt zu sein. Selbst jetzt, als sie in den Sitzungssaal geführt wurde, nahm ein Untersekretär einen Stapel Papiere vor dem Baron fort, die er frisch unterzeichnet hatte, und entfernte sich damit. Der Mann, der sie hergebracht hatte, zog einen Stuhl in eine Ecke unter einer Stehlampe und öffnete einen weiteren Stapel eng beschriebener Papiere.
Baron Riehs erhob sich seufzend, setzte seine runde Brille ab und rieb sich die Augen. Lark ging zu ihm und senkte den Kopf. »Herr Baron«, sagte sie und hoffte, dass das die korrekte Anrede war. »Was hat der Prinz gesagt?«
Riehs blinzelte ein bisschen, als schmerzten ihn seine Augen. »Sie hatten vollkommen Recht, Larkyn«, erklärte er zurückhaltend. »Seine Hoheit fand es offenbar ratsam, sich mit Wilhelm zu verbünden und ihn bei seinem Vorhaben, eine neue Akademie für Männer zu gründen, zu unterstützen.«
»Und Amelia?«, wollte Lark wissen.
»Prinz Nicolas hat nach Beweisen gefragt.«
»Die haben wir natürlich nicht.«
»Nein. Wenn der Fürst eine Forderung formuliert hätte … in Form eines Lösegeldes zum Beispiel …«
»Baron Riehs«, sagte Lark eindringlich, »ich weiß es. Sie müssen mir glauben. Er hat sie entführt.«
Riehs streckte sich, als täte ihm der Rücken weh. »Ich wünschte, ich würde Ihnen nicht glauben, Larkyn, aber ich tue es. Wenn Sie Recht haben, das heißt, wenn wir Recht haben …« Er stieß die Luft aus, und Lark dachte, dass er auf einmal zehn Jahre älter aussah als bei ihrer Ankunft heute Nachmittag. »Seit ich erwachsen bin, habe ich mein Leben dem Frieden zwischen unseren Völkern gewidmet«, sagte er, halb zu sich selbst. »Als ich ein kleiner Junge war, habe ich gesehen, was der Krieg zwischen Kleeh und Isamar den
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