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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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schloss, dann den Rauch ausstieß, ihn durchdringend ansah und meinte: Ganz schön gegensätzliche Philosophien, die die beiden vertreten, findest du nicht? Verwirrt wandte Jofre den Blick ab, nun, so gegensätzlich auch wieder nicht   … obwohl   … vielleicht ja doch, wenn ich’s mir recht überlege   … interessant sind sie aber trotzdem. Und wieso?, bohrte Dolors weiter, die auf diesem Gebiet absolut sattelfest war. Nun   … weil   … also   … weil beide   … ähm   … weil beide die Welt verbessern wollten.
    Da war er heraus, der Schwachsinn, und Dolors fühlte sich bereits als Siegerin und sah Leonor triumphierend an: Merkst du jetzt, in was für einen Hornochsen du dich verliebt hast? Doch sie hatte sich zu früh gefreut: Leonor hörte nicht auf, den Hornochsen mit offenem Mund anzuschmachten. Entweder hatte sie gar nicht zugehört, oder sie hatte den Stuss, den er verzapfte, geflissentlich überhört. Egal, was Dolors anstellte, um sie zu überzeugen, sie biss bei ihr auf Granit, denn sie wollte den Hornochsen einfach um jeden Preis heiraten.
    Und jetzt hat Jofre also diese Ich-dich-auch-Mònica. Dagegen war nichts einzuwenden – solange er deswegen nicht seine Frau vernachlässigte. Solange er sie liebte. Aber hat er sie überhaupt jemals geliebt? Dolors ist sich da gar nicht so sicher.
    Das Leben führt einen bald hierhin, bald dorthin, und am Ende setzt es einen dann in einen Sessel und lässt einem als einziges Vergnügen gerade noch das Stricken. Als wollte es einem sagen, bis jetzt warst du immer sehr rührig, jetzt ist es aber an der Zeit, stillzusitzen und nur noch zu beobachten, was deine Mitmenschen so treiben, damit du ein Resümee ziehen kannst, nur für dich, denn deine Worte würde eh kein Mensch beherzigen, selbst wenn du deine Erkenntnisse noch mitteilen könntest; die Jugend hört nun mal nicht auf das, was die Alten sagen, seine Erfahrungen muss nämlich jeder selber machen.
    Das ist ja alles schön und gut, nur: Was für ein Gefühl der Ohnmacht! Dolors seufzt. Irgendwie ist es doch jammerschade, dass alles, was sie gesehen, gehört und gelernt hat, niemandem mehr nützen wird. Ein Glück, dass sie jetzt nicht mehr gar so leidet wie sie das in jungen Jahren getan hätte; jetzt kann sie das Leben tatsächlich philosophisch nehmen, dank der Erfahrung, das mit dem »Ich dich auch« schließlich schon einmal selbst erlebt und zwischen einem echten, grundanständigen Kerl und einem Brillanten geschwankt zu haben.
    Eigentlich war sie genauso dämlich gewesen wie Leonor, denkt Dolors nun. Sich am Ende für den Brillanten zu entscheiden und deshalb dem Mann ihres Lebens einen Korb zu geben! Und als er sie mit Tränen in den Augen nach dem Warum fragte, da wusste sie nicht einmal, was sie ihm antworten sollte. Schließlich konnte sie ihm ja nicht gestehen, dass der funkelnde Edelstein sie geblendet hatte und weshalb dies geschehen war, konnte ihm auch nicht erklären, dass ihr Schweigen ein ganzes Leben aufwog. Nein, sie musste den Mund halten – und sie erzählte es ihm selbstdann nicht, als sie sich Jahre später wieder trafen: Die Wahrheit sagte sie Antoni nie.
    Jetzt liegt der Brillant in einer Schatulle ganz hinten in ihrem Nachttischchen, zusammen mit den wenigen wertvollen Schmuckstücken, die sie noch besitzt. Eduard hatte eine Schwäche dafür, ihr teuren Schmuck zu schenken – und sie war selig, wenn sich ihr eine Gelegenheit bot, ihn anzulegen. Das war allerdings noch zu der Zeit, als sie mit den Scheuklappen der aufopferungsvollen Mütter und mustergültigen Ehefrauen herumlief und innerlich viel älter war als heute, als sie noch eine der Frauen war, die von ihrem Gatten in der Öffentlichkeit als geheimer Schatz vorgeführt wurden, den er allein gefunden hatte und dem sich kein anderer nähern durfte. Über und über geschmückt mit Colliers und Brillanten zeigte sie sich an Eduards Seite, der sie voller Besitzerstolz der Schar von Fabrik- und Bankvorständen vorführte, die ihrerseits ihre mit kostbaren Colliers behängten Gattinnen präsentierten, denn im Grunde ging es bei solchen Abendgesellschaften vorrangig darum, wer die größte Kaufkraft besaß und welcher Frau der viele Schmuck am besten stand. Ob der Schmuck ihre äußeren Vorzüge damals wohl gut zur Geltung brachte? Dolors ist sich bewusst, dass sie keine Schönheit gewesen war, nach der sich die Männer umdrehten, aber sie hatte zu jener Zeit noch die Attraktivität der Jugend besessen und sich

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