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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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für denAberglauben des alten Tappan Square. Aubrey hatte bereits vorgeschlagen, eine Alarmanlage zu installieren. »Wofür denn?«, hatte Mariah gespottet. Sie glaubte fest daran, dass die Strickerei sich selbst beschützte. Sie glaubte allerdings auch, dass drei Stare auf der Wiese Glück brachten und dass langes Einlegen jedem Gemüse zuträglich war. Nun, da das Schlurfen und Pochen immer lauter wurde, wünschte Aubrey, sie hätte mit mehr Nachdruck auf der Alarmanlage bestanden. Wenn die Strickerei heute Nacht ausgeraubt würde, kämen ihre Schwester und die Kinder wohl nie wieder her.
    Sie kroch unter der Bettdecke hervor. Da sie keine Waffe besaß, griff sie nach einer metallenen Stricknadel mit fünf Millimetern Durchmesser auf ihrem Nachttisch – dick genug, um fest, dünn genug, um scharf zu sein.
    An der Tür am anderen Ende des Flurs angelangt, vernahm sie Geräusche. Es war definitiv jemand im Haus. Schlurfte herum. Stieß gegen die Möbel. Sie verharrte wie versteinert in der Dunkelheit.
    Sie wollte sich gerade zurückziehen, ihre Schwester wecken und die Polizei anrufen, da flog mit einem Luftschwall die Tür auf. Aubrey riss die Nadel hoch und schrie.
    »Warte! Warte!« Der Eindringling packte sie am Handgelenk. Sie schrien nun beide. »Warte!«
    Aubrey wand sich besinnungslos vor Angst aus dem Griff des schattigen Umrisses.
    »Aubrey. Hör auf. Ich bin’s!«
    Aubrey verstummte.
    »Hey. Ich bin’s.«
    Sie wich zurück. »Meggie?«
    Meggie knipste das Licht im Flur an und kniff dann geblendet die Augen zusammen. Als sie der Strickerei den Rücken gekehrt hatte, fiel ihr das Haar in warmen goldbraunen Wellen bis zur Taille. Dazu trug sie am liebstenbodenlange Blumenkleider und lief ohne Schuhe und BH durch Tarrytown.
    Nun hatte sie kurzes rabenschwarzes Haar, das ihr wild über die Brauen fiel. Ihr Gesicht war voller, reifer, wenngleich sie immer noch die schmalen Züge einer Elfe besaß. Sie trug hautenge Jeans zu Converse-Sneakern und hatte sich einen Nietengürtel tief um die Hüften geschlungen.
    Meggie hatte die Strickerei vor vier Jahren verlassen. Vier unbedeutende Jahre. Doch Aubrey erkannte sie kaum wieder. Es hätte ein ganzes Leben dazwischenliegen können.
    »Also«, sagte Aubrey.
    Meggie streckte ihr die Hände entgegen. »Ich kann es erklären …«
    Als Aubrey ihre kleine Schwester das letzte Mal gesehen hatte, stopfte diese gerade Jeans und T-Shirts in einen alten Koffer, ohne sich die Mühe zu machen, sie zusammenzufalten. Ihr frisch erworbenes Highschool-Abschlusszeugnis, das erst einen Tag zuvor mit der Post gekommen war, lag auf dem Bett.
    »Ich habe genug gespart, um nach Miami zu fliegen«, hatte Meggie grinsend behauptet. »Zum Feiern. Nach elf Jahren Heimunterricht habe ich mir ein freies Wochenende verdient, meinst du nicht?«
    Aubrey hatte sich auf Meggies Bett gesetzt und ein Stück regenbogenfarbene Wolle an den roten Rucksack ihrer Schwester geflochten, um Taschendiebe, Moskitos, Flugverspätungen und – spaßeshalber – nicht vertrauenswürdige Männer abzuschrecken. Kann ich mitkommen?, hätte sie am liebsten gefragt. Doch sie konnte sich einfach nicht vorstellen, am Pool zu sitzen und süße Cocktails zu schlürfen, die Nacht in stickigen Clubs zu durchzutanzen und bis mittags zu schlafen. Sie konnte sich noch nicht einmal vorstellen, in ein Flugzeug zu steigen. Meggie stand es frei, zu gehen, wohin sie wollte, ihren Launennachzujagen und sie in den Schwitzkasten zu nehmen. Aubrey dagegen war durch ihren Glauben an die Strickerei und ihre Verpflichtung ihr gegenüber an deren zerbröckelnde Wände gekettet.
    Wenn sie nicht so sehr über sich selbst und ihr eigenes Schicksal nachgedacht hätte, wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass Meggie viel zu viele Kleidungsstücke in den Koffer stopfte, um nur ein langes Wochenende fortzubleiben. Wenn sie besser aufgepasst hätte, hätte sie vielleicht das Flugticket ihrer Schwester einkassiert und verlangt, zu erfahren, wo diese wirklich hinwollte. Doch sie hatte nicht nachgedacht – zumindest nicht über Meggie. Und so hatte sie Meggie am JFK-Flughafen mit nur einer flüchtigen Umarmung aus dem Auto gescheucht, da sie die Taxen und Mietwagen hinter sich nicht aufhalten wollte. Sie hatte damals nicht geahnt, dass so viele Jahre später erst Mariah sterben musste, bevor ihre kleine Schwester wieder nach Hause käme.
    Aubrey wurde schwindlig. Sie drückte sich an Meggie vorbei in deren altes Schlafzimmer. Als Bitty hereineilte,

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