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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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in ihr auf. Fast schon dankbar spürte sie den neuerlichen Hustenkrampf, war froh, sich ihm hingeben zu können, statt Erics Blick länger ertragen zu müssen.
    »Wie kannst du nur so herzlos sein?« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Wenn dir wirklich etwas an Carlotta läge, hättest du sie bei ihrer Mutter gelassen. Aber dir hat wohl noch nie wirklich etwas an jemandem gelegen.«
    »Das ist nicht wahr!« Ihr Husten verwandelte den Aufschrei in hartes Hundegebell. Sobald sie sich etwas erholt hatte, krächzte sie heiser: »Du kennst mich doch gar nicht. Keiner von euch kennt mich. Nie hat einer von euch jemals versucht, mich kennenzulernen.«
    Das Kratzen im Hals wurde wieder stärker. Sie musste husten, schlucken und warten, bis sie wieder sprechen konnte. »Was wisst ihr schon davon, wie alle mich immer herumgeschubst haben?« Der Hustenreiz wurde schwächer, sie konnte wieder länger und besser reden. »An meine Mutter habe ich kaum eine Erinnerung. Als sie gestorben ist, war ich gerade mal drei. Mein Stiefvater und seine neue Frau haben mich gleich zu Babette abgeschoben, der Schwester meiner Mutter. Nur wenn Magdalena der zu anstrengend war, hat sie mich wirklich beachtet, sonst hatte sie kaum Zeit für mich. Obwohl mir alle gesagt haben, dass ich schön sei wie ein Engel, hat mich später weder einer heiraten noch sonst längere Zeit um sich haben wollen. Wahrscheinlich hat Babette sie alle vertrieben. Immer haben alle nur von Magdalena und ihren Heldentaten als Wundärztin geredet. Dabei war sie kleiner und hässlicher als ich, rothaarig obendrein und zu allem Überfluss auch neunmalklug. Das ist doch keine echte Frau!
    Weil mich keiner beachtet hat, habe ich wenigstens ein eigenes Kind haben wollen. Das hätte mich bestimmt sehr geliebt und nie im Stich gelassen. Aber nicht einmal das war mir vergönnt: Gleich nach der Geburt hat Roswitha es weggeschafft wie ein Stück Dreck. Keinen Blick darauf hat sie mir vergönnt. Mein eigenes Kind hab ich nie in den Armen gehabt! Wenn ich Roswitha danach fragte, hat sie immer nur die Augen verdreht. Am nächsten Tag schon hat sie mir dafür Carlotta an die Brust gelegt. Sehr, sehr krank ist Magdalena nämlich nach der Geburt gewesen. Lange fürchtete man sogar, dass sie nicht durchkommt. Wenn ich nicht für sie eingesprungen wäre, die Kleine derweil zu stillen, wäre sie bestimmt verhungert. Was aber habe ich jetzt davon?«
    Abermals schüttelte sie ein Hustenkrampf. Als wäre das ein geheimes Zeichen, öffnete sich in diesem Moment die Tür, und Carlotta stolperte herein. Hoffnungsvoll sah Elsbeth ihr entgegen, beobachtete, wie sie stolz zum Bett herüberwackelte. Dabei streckte sie die Ärmchen nach vorn und lachte über das ganze Gesicht. Bertas gute Verpflegung zeigte deutliche Spuren: Die Kleine war proper, ihr Haar glänzte im zarten Herbstlicht, die ersten Zähne blitzten im Mund, die stämmigen Beinchen setzten zielsicher ihren Weg Richtung Bett. Kein Zweifel: Ihr fehlte es an nichts!
    »Mama«, gluckste Carlotta. Elsbeth lächelte und fühlte einen warmen Strahl durch ihren Leib zucken. Dann aber erstarb ihr Lächeln, auch die Wärme erlosch. Carlotta wankte nicht zum Bett, sondern zum Schemel davor, kletterte zu Berta auf den Schoß, kuschelte sich an den schweren Bäuerinnenbusen und vergrub sich daumenlutschend darin. Eric beugte sich von der Bettkante vor, strich behutsam über die rotblonden Locken der Kleinen und tätschelte ihr die Wange. Zufriedene Stille senkte sich über die drei.
    Elsbeth wartete eine Weile. Keiner drehte sich ihr zu. »Geht.« Erschöpft sank sie in die Kissen und schloss die Augen. Dann aber fuhr sie noch einmal hoch und schrie: »Haut endlich ab, alle miteinander, und lasst mich allein!«
    Berta und Eric wechselten vielsagende Blicke. Das Kind war eingeschlafen, wachte selbst von dem Gebrüll nicht auf. Stumm nickte die Alte und erhob sich schwer atmend. Bedächtig schwankte sie zur Tür, Carlotta fest an sich gedrückt. Eric sah ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloss, dann wandte er sich wieder um.
    Schweigend ruhte sein Blick auf Elsbeth. Alles Bittere, Böse schien auf einmal daraus verschwunden. Stattdessen zeichneten sich Ratlosigkeit, Bedauern und Mitleid darin ab. Tapfer hielt sie dem stand. Wenn wenigstens Rupprecht sie einmal so angesehen hätte! Vielleicht hätte sie ihn doch mit der Zeit für sich gewinnen können. Sie hätte ihm von ihrem gemeinsamen Kind erzählen sollen. Eigentlich hätte sie ihm gleich

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