Die Wundärztin
sie alles überdeutlich.
»Besser wäre es wohl gewesen, ich hätte mir die teuren Tropfen und all den Aufwand gleich gespart.« Die Haut an Bertas Händen schmatzte, als sie den restlichen Talg darin verrieb. Die Finger glitten bis zu den Ellbogen hinauf, um nichts von dem Talg zu verschwenden und gleichzeitig der arg beanspruchten Haut etwas Gutes zu tun.
Mit Grauen erinnerte sich Elsbeth, wie ledern sich Bertas Haut anfühlte. Unter dem Vorwand, etwas gegen die Franzosenkrankheit zu unternehmen, hatte die Alte sie in den vergangenen Wochen immer wieder mit stinkenden Einreibungen gequält, ihr beißende Aufgüsse bereitet und die von Knoten befallenen Stellen zwischen den Schenkeln und an ihrer Scham mit den Fingern begrapscht. Allzu gern hatte Berta zu den seltsamsten Methoden gegriffen, um angeblich die Heilung voranzutreiben. Elsbeth traute der Bauersfrau jedoch nicht. Manches, was Berta tat, kannte sie, weil sie früher Magdalena und Roswitha bei ihren Patientinnen ähnliche Maßnahmen hatte anwenden sehen. Oft aber griff Berta auch zu ganz Eigenartigem, etwa wenn sie unter unverständlichem Gemurmel bunte Körner in eine Kerzenflamme rieseln ließ und anschließend das Wachs auf Kräuterblätter strich, die sie ihr heiß auf die nackte Scham presste, genau dorthin, wo sich die verräterischen Knötchen und Geschwüre erstmals gezeigt hatten.
Auch den Henker hatte Berta herbestellt, ihn geheißen, für eine Nacht das Lager mit Elsbeth zu teilen. Angewidert dachte Elsbeth daran, wie grob der Kerl mit ihr umgesprungen war, bevor er endlich seine Lust ausgelebt hatte. Alle Kniffe, die sie vom Umgang mit Männern wie Seume oder Strecker gelernt hatte, hatten bei ihm nicht gefruchtet. Der Henker hatte seine eigene Art, mit Frauen umzuspringen. Dass er zu allem Überfluss als Lohn für seine Ungeschlachtheit hinterher von Berta die Taler erhielt, die Elsbeth sich aus Seumes Truhe stibitzt hatte, machte alles noch schlimmer. Wie wenig seine Dienste ihr genutzt hatten, scherte sie dabei weniger als die Tatsache, dass sie nun gar kein Geld mehr besaß und somit ganz und gar auf Bertas und Erics Wohlwollen angewiesen war. Ein weiteres Bellen grollte aus ihrer Kehle.
Berta schien in ähnlichen Bahnen zu denken: »Wenigstens hast du Geld genug gehabt, dass ich weder dem Henker etwas schuldig geblieben bin noch selbst große Auslagen deinetwegen hatte. Du wirst nichts dagegen haben, dass ich den Rest aus deinem Beutel für Carlotta aufbewahre. Wenigstens ein kleiner Trost, dass du das arme Ding seiner Mutter gestohlen hast.«
»Woher weißt du …?« Schreckensbleich fuhr Elsbeth aus den Kissen und fühlte im nächsten Moment gewaltigen Schwindel. Es traf sie wie ein Schlag auf den Kopf. Abermals brach sich der schwere Husten Bahn, schüttelte ihren Körper. Schließlich umfing sie Schwärze, und sie fiel in ein tiefes Loch.
Die Geräusche draußen vor der Stube rissen sie aus der Ohnmacht. Schwere Stiefelschritte knallten über die Holzdielen. Ohne Klopfen wurde die Tür aufgestoßen, und eine große, breitschultrige Person kam herein. Ungläubig blinzelte Elsbeth dem Eindringling entgegen, froh, dass sie endlich wieder klarer sehen konnte als vorhin. Vorsichtig schob sie sich in den Kissen auf. Eric war in ihre Kammer getreten, dicht gefolgt von Berta. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass die Alte die Kammer verlassen hatte. Schnaufend quetschte Berta ihre gedrungene Gestalt an Eric vorbei und ging zum Bett. Noch bevor Elsbeth sich wegdrehen konnte, legte sie ihr die eiskalte Hand auf die Stirn.
»Das Fieber ist gesunken.« Prüfend hob sie mit den Fingern die Lider an und stierte ihr in die Augen. Anschließend versetzte sie ihr zwei leichte Ohrfeigen und grunzte zufrieden. »Jetzt ist sie wieder bei sich. Nutz die Zeit und frag sie, was du zu fragen hast. Oft wird sie sicher nicht mehr bei Sinnen sein.« Schnaufend ließ sie sich auf dem Schemel neben dem Bett nieder.
Einen Moment verharrte Eric mitten im Raum, dann trat er mit zögernden Schritten näher. Von oben sah er auf Elsbeth hinunter, bis ihm die Situation zu unbehaglich wurde und er langsam auf die Bettkante sank.
»Was ist?«, fragte Elsbeth. Jetzt, da das Fieber gesunken war, war auch der Schleier vor ihren Augen verschwunden. Berta hatte recht gehabt: Aus der Nähe betrachtet, wirkte Eric um Jahre gealtert. Das lag allerdings nicht nur an der Magerkeit und den hochgezogenen Schultern. Auch die rotblonden Bartstoppeln auf Kinn und Wangen sowie das
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