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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Wirrmähne und Riesenkraft. Still und nachdenklich wanderten sie daher, einer hinten dem andern.
    „Schön guten Tag!“ rief ihnen Graufell entgegen.
    „Schön guten Tag!“ antworteten die Elche. „Wir wollten dich eben aufsuchen, Graufell, um mit dir wegen des Waldes zu beraten.“
    „Die Sache ist die,“ begann Krummrück. „Es ist uns zu Ohren gekommen, daß hier im Walde eine Missetat verübt worden ist, und weil diese nicht geahndet wurde, ist der ganze Wald dem Untergang geweiht.“
    „Was ist das für eine Missetat?“ fragte Graufell.
    „Ein Waldbewohner soll ein unschädliches Tier, das er doch nicht verzehren konnte, umgebracht haben. Dies wird im Friedenswalde für eine Missetat gerechnet.“

    „Und wer hat denn eine solche Freveltat begangen?“ fragte Graufell.
    „Ein Elch soll es gewesen sein. Und wir wollen dich jetzt fragen, ob du eine Ahnung hast, wer es sein könnte.“
    „Nein,“ antwortete Graufell. „Ich habe nie etwas von einem Elch gehört, der ein unschädliches Tier getötet hätte.“
    Graufell verließ die andern und ging mit Karr weiter. Er war noch schweigsamer als zuvor und schritt mit tiefgesenktem Kopf dahin. Jetzt kamen sie an der Kreuzotter Kryle vorbei, die auf einem Stein lag. „Da ist Graufell, der an der Verheerung des Waldes schuld ist,“ zischte Kryle, gerade wie alle andern. Aber jetzt war Graufells Geduld zu Ende. Er stellte sich vor die Kreuzotter hin und hob ein Vorderbein auf.
    „Hast du im Sinn, mich auch umzubringen, wie du die Natter, das Weibchen des alten Hilflos, umgebracht hast?“ rief Kryle.
    „Habe ich eine Natter umgebracht?“ fragte Graufell.
    „Ja, am ersten Tag, wo du in den Wald herauskamst, hast du das Weibchen von der Natter Hilflos totgetreten.“
    Graufell wendete sich rasch ab und gesellte sich wieder zu Karr. Plötzlich hielt er an. „Karr,“ sagte er, „ich habe die Freveltat begangen. Ich habe ein unschädliches Tier umgebracht. Ich bin schuld an der Zerstörung des Waldes.“
    „Was sagst du da?“ unterbrach ihn Karr.
    „Sage der Natter Hilflos, Graufell werde heute nacht noch in die Verbannung gehen.“
    „Niemals werde ich so etwas sagen!“ rief Karr. „Der hohe Norden ist eine sehr gefährliche Gegend für die Elche.“
    „Meinst du, ich wollte noch hier bleiben, nachdem ich so großes Unheil angestiftet habe?“ erwiderte Graufell.
    „Übereile dich nicht. Warte bis morgen, ehe du irgend etwas unternimmst!“
    „Du selbst hast mich gelehrt, daß die Elche eins mit dem Walde seien,“ sagte Graufell; und mit diesen Worten trennte er sich von Karr.
    Karr ging nach Hause; aber durch die Unterredung unruhig geworden, ging er schon am nächsten Tag wieder in den Wald, den Elch aufzusuchen. Aber Graufell war nirgends zu finden, und der Hund suchte auch nicht lange. Er erriet sogleich, daß Graufell die Natter beim Wort genommen hatte und in die Verbannung gegangen war.
    Während Karr in solche Gedanken versunken dahinwanderte, erblickte er plötzlich den Waldhüter, der unter einem Baum stand und hinaufdeutete. „Wonach schaust du?“ fragte ein Mann, der neben dem Waldhüter stand.
    „Unter den Raupen ist eine Seuche ausgebrochen.“
    Karr verwunderte sich über die Maßen; fast aber noch mehr entrüstete er sich darüber, daß die Natter die Macht gehabt hatte, ihr Wort zu halten. Nun mußte Graufell wahrscheinlich ewig lange fortbleiben, denn diese Natter starb wohl nie.

    Während Karr noch tiefbetrübt war, kam ihm ein Gedanke, der ihn ein wenig tröstete. „Die Natter braucht vielleicht gar nicht so schrecklich alt zu werden, sie wird ja wohl nicht immer wohlbeschützt unter einer Baumwurzel liegen,“ dachte er. „Wenn sie nur erst die Raupen fortgeschafft hat, dann weiß ich einen, der ihr die Gurgel abbeißt.“
    Ja, über die Raupen war wirklich eine Krankheit gekommen, aber im ersten Sommer verbreitete sie sich nicht in großer Ausdehnung. Kaum war sie ausgebrochen, da war es für die Raupen Zeit, sich einzupuppen, und aus den Puppen schlüpften dann Millionen von Schmetterlingen. Diese flatterten in jeder Nacht, Schneeflocken gleich, zwischen den Bäumen umher und legten unzählige Eier. Für das nächste Jahr konnte man sich auf noch größere Verheerungen gefaßt machen.
    Die Verheerung kam, aber nicht allein für den Wald, sondern auch über die Raupen selbst. Die Seuche verbreitete sich rasch von einer Waldstrecke zur andern. Die erkrankten Raupen fraßen nicht mehr; sie krochen in den Gipfel des

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