Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Leben daheim nie langweilig und einförmig geworden war. Unterwegs hatte sie gesehen, daß die Leute bei der Kartoffelernte waren, und diese war natürlich jetzt auch daheim im Gange. Nun mußten zuerst Kartoffeln gerieben und Kartoffelmehl gemacht werden. Es war ein milder Herbst gewesen, und sie hätte so gerne gewußt, ob wohl der Garten schon ganz eingeheimst sei? Nun, der Kohl stand doch jedenfalls noch draußen; aber ob wohl der Hopfen schon gepflückt und die Äpfel heruntergenommen waren?
Wenn sie nur nicht am Ende gerade die Herbstputzerei hatten, denn es war nicht mehr lang bis zum Herbstmarkt! Zu diesem Jahrmarkt mußte das ganze Haus wie ausgeblasen sein. Er wurde als ein großes Fest angesehen,vor allem vom Gesinde. Und es war auch wirklich ein Vergnügen, wenn man am Vorabend des Marktes in die Küche hinauskam und sah, wie blitzblank alles war: der reingewaschene, mit Wacholderzweigen bestreute Fußboden, die frischgeweißten Wände und das blankgescheuerte Kupfergeschirr auf den Wandbrettern.
Aber wenn das Marktfest vorüber war, kehrte doch nicht lange Ruhe ein. Dann mußte der Flachs gehechelt werden. Der Flachs war während der Hundstage auf einer Wiese zum Trocknen ausgebreitet worden. Jetzt brachte man ihn in die alte Badestube hinein, und in dem großen Badestubenofen wurde ein tüchtiges Feuer gemacht und der Flachs gedörrt. Und wenn er dürr genug war, wurden an einem Tage alle Nachbarsfrauen zusammengerufen. Diese setzten sich vor die Badestube; und nun wurde der Flachs gebrochen und hierauf gehechelt, damit sich die feinen weißen Fasern aus den dürren Halmen herauslösten. Während dieser Arbeit wurden die Weiber ganz grau vor Staub. Ihr Haar und ihre Kleider waren über und über mit Spleißen bedeckt, aber sie waren trotzdem seelenvergnügt. Den ganzen Tag hindurch klapperten die Brechstühle, und die Weiber schwatzten ununterbrochen darauf los. Wer in die Nähe der Badestube kam, hätte meinen können, ein Sturm jage mit lautem Sausen daher.
Nach dem Flachshecheln kam das Backen des Hartbrotes, die Schafschur und der Wandertag der Mägde an die Reihe. Im November standen dann die arbeitsreichen Schlachttage bevor; das Fleisch wurde eingepökelt, Würste gestopft, Blutpudding gekocht und Lichter gegossen. In dieser Zeit kam dann wohl auch das Nähmädchen, das die eigengewobenen wollenen Kleider verfertigte; und das waren einige fröhliche Wochen, wo alle Frauen des Hauses eifrig nähend beisammen saßen. Meistens saß dann auch der Schuhmacher zu derselben Zeit drüben in der Knechtstube an seiner Arbeit; und man wurde es nie müde, immer und immer wieder zuzusehen, wie er Leder zuschnitt, Stiefel sohlte, Absätze aufbaute und die Ringe in die Schnürlöcher einschlug. Aber die größte Geschäftigkeit entfaltete sich doch gegen Weihnachten. Der Lucietag, wo morgens um fünf Uhr das Stubenmädchen in einem weißen Kleide mit brennenden Kerzen im Haar das ganze Haus zum Kaffee einlud, war das Zeichen, daß man in den nächsten Wochen nicht viel auf Schlaf rechnen durfte.
Jetzt mußte das Weihnachtsbier gebraut, die Stockfische gelaugt, das Weihnachtsbackwerk verfertigt und die Weihnachtsputzerei vorgenommen werden – – –
Die Schriftstellerin stand im Geiste mitten zwischen Pfeffernüssen und Honigkuchen, als der Kutscher, wie sie ihn gebeten hatte, am Eingang in die Allee seine Pferde anhielt. Sie fuhr jäh aus ihren Träumen auf, und es war ihr ganz unheimlich zumute, als sie nun am späten Abend so ganz allein im Wagen saß, nachdem sie sich eben noch von allen ihren Lieben umgeben geglaubt hatte. Als sie ausstieg und die Allee hinaufwanderte, um unbemerkt in ihre alte Heimat hineinzukommen, fühlte sie mit bitterer Wehmut den Unterschied zwischen früher und jetzt, und sie wäre am liebsten wieder umgekehrt. „Washat es für einen Wert, daß ich hierher komme? Die alten Zeiten kehren ja doch nicht wieder!“ dachte sie.
Aber nachdem sie nun soweit gekommen war, meinte sie, es wäre doch nicht recht, wenn sie sich den Hof nicht wenigstens ansähe. Und so schritt sie weiter, obgleich ihr das Herz mit jedem Schritt schwerer wurde.
Sie hatte gehört, der Hof sei sehr verfallen und verändert, und das war wohl auch so; aber jetzt am Abend konnte sie das nicht wahrnehmen. Es war ihr eher, als sei alles ganz wie früher. Dort war der Teich, der in ihren jungen Tagen voller Karauschen gewesen war, die niemand fischen durfte, weil der Vater wollte, daß die Fische hier eine
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