Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
könnte es denn sein?«, hauchte Marnie ehrfürchtig.
Mit souveräner Geste konsultierte Ed seine Papierserviette, ehe er seinen milden Blick auf Marnie ruhen ließ. »Die Sache ist ganz einfach, Schwester Andersson. Unsere Patientin ist ein klassischer Fall von Malaise Anglais .«
Marnie legte sich die Hand aufs Herz. »Oh, Doktor … Sind Sie sicher?«
»Worauf wollt ihr eigentlich hinaus?«, fragte ich kichernd.
»Darauf, dass du einfach zu englisch bist, Rosie«, klärte Ed mich auf und lächelte. »Dir fehlt dieses spezielle Gen, das es dir ermöglichen würde, auch mal Nein zu sagen …«
»… und aus deinen Fehlern zu lernen«, ergänzte Marnie, die an der Diagnose sichtlich Spaß zu haben schien. »Leider ist es typisch für die Krankheit, dass sie immer wieder und in schweren Schüben ausbricht.«
»Mein Mitgefühl gilt vor allem den leidgeprüften Freunden der Patientin«, fuhr Ed unbarmherzig fort. »Denn die Pflege der Patientin ist knochenharte Arbeit.«
»Hat aber durchaus ihre Vorzüge«, entgegnete ich.
»Und die wären?«, fragte Ed, und seine blauen Augen funkelten.
»Frühstück auf Kosten der Patientin beispielsweise.«
Marnie lächelte, und Ed griff nach meiner Hand und drückte sie. »Natürlich. Und das wissen wir zu schätzen – wir wissen dich zu schätzen. Wir machen uns doch nur darüber lustig, weil wir uns Sorgen machen, Rosie. Wann kapierst du endlich, dass es Leute gibt, die immer nur an sich denken und auf ihren Vorteil aus sind?«
Ich seufzte. Dieses Thema hatten wir bestimmt schon hundertmal durchgekaut, aber ich schaffte es einfach nicht, Ed und Marnie meine Sicht der Dinge verständlich zu machen. Unverzagt wagte ich mich an Versuch Nummer 101.
»Okay. Ich weiß, dass es so aussieht, als würde Celia mich ausnutzen, aber sie ist eine wirklich gute Freundin. Sie
war immer für mich da, wenn ich sie brauchte. Ich möchte mich einfach nur bei ihr revanchieren, das ist alles.«
Ed schüttelte den Kopf, schien aber ein wenig besänftigt. »Rosie Duncan, wir lieben dich von ganzem Herzen, und wenn es dich glücklich macht, arbeiten wir natürlich gerne viele, viele ungezählte Stunden für dich, damit du dich bei deiner wirklich guten Freundin revanchieren kannst.«
»Danke, geht doch«, sagte ich und trank meinen Latte aus.
»Jetzt aber mal im Ernst: Du arbeitest zu viel, Rosie. Du solltest einfach auch mal nur … leben .« Marnie klang ernstlich besorgt. Bei mir schrillten Alarmglocken – ich wusste genau, worauf das hinauslief. Wir näherten uns der Gefahrenzone. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst, und da kam es auch schon: »Du brauchst einfach … einen Mann «, seufzte Marnie.
Das hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Schnell fiel ich ihr ins Wort. »Nein, brauche ich nicht. Also, für heute steht an …«
Aber so leicht ließ Marnie sich nicht abschrecken. »Nein, ich meine das ernst, Rosie! Du bist ein so wunderbarer Mensch – wenn du einfach mal jemanden an dich heranließest, könntest du bestimmt auch … glücklich sein …«
Ich fühlte mich in die Enge getrieben und lachte bemüht. »Ah ja, gut zu wissen. Aber jetzt hört mal zu: Dieses Thema ist tabu, das habe ich euch schon tausendmal gesagt, und wenn ihr noch weiter darüber reden wollt, schmeiße ich euch wegen Vertragsbruch raus.«
Ed hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay, Boss, alles klar. Wir verpflichten uns hiermit, niemals mehr ein Wort darüber zu verlieren.«
»Endlich haben sie es kapiert!« Ich schlug die Augen himmelwärts und stieß einen Seufzer tiefer Dankbarkeit
aus. Kaum zu glauben – sollte ich das Unvermeidliche wirklich abgewendet haben?
Nein, natürlich nicht.
»Lass dir nur gesagt sein, dass Marnie und ich nicht aufhören werden, dich in regelmäßigen Abständen wegen dieser …« Mitten im Satz wurde Ed von Marnie unterbrochen, oder vielmehr von Marnies Hand, die sich fest über seinen Mund schloss.
»Klappe, Steinmann! Ich brauche diesen Job«, lachte sie.
Nach einer kleinen Rangelei ließen sie sich lachend zurück ins Sofa fallen und grinsten mich frech an wie zwei kleine Schlingel, die es faustdick hinter den Ohren hatten. Obwohl mir gerade ziemlich unbehaglich zumute gewesen war, musste ich lächeln, als ich die beiden so sah. Ed spielt sich gern als der ältere und vernünftigere Bruder auf, aber eigentlich ist er noch viel schlimmer als Marnie. Andauernd albern die beiden herum, reißen Witze, ärgern sich gegenseitig und benehmen sich überhaupt
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