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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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hätte man ihm auch seinen Anteil gegeben, und zwar das Donautal in der Walachei mit seiner Mündung. Dann hätte Napoleon, von der polnischen und ungarischen Kavallerie unterstützt, freien Zugang nach Konstantinopel gehabt. Du weißt, daß er sein ganzes Leben davon träumte, Kaiser von Konstantinopel zu werden. Das verband ihn mit dem Zaren, der denselben Traum träumte.
    Er hatte Frankreich und Italien; durch seinen Bruder Joseph hoffte er, Spanien zu gewinnen. Tanger, Oran, Algier und Tripolis wären nur weitere Häppchen. Ägypten erwartete ihn, er kannte es ja schon, und der Isthmus von Suez, den Monsieur de Lesseps heute so mühselig anlegt, wäre in sechs Monaten vollendet gewesen. Seine Ingenieure hatten nämlich schon Spuren eines alten, heute versandeten Kanals entdeckt, der zweifellos aus der Zeit Ramses’ V. stammte. Schließlich gehörte ihm auch – gutwillig oder gezwungen – das Mittelmeer, und von der Höhe von Gibraltar aus hätten die Engländer nichts weiter tun können, als seiner Flotte hinterdreinzuschauen.“
    „Wer hat dir denn Napoleons Plane enthüllt?“ fragte Quaterquem. „Und was hältst du von diesen vertraulichen Mitteilungen, die er doch zweifelsohne niemandem anvertraut hat?“
    „Hältst du mich für einen Romancier?“ erwiderte der Maharadscha. „Bildest du dir ein, ich würde mir einen Scherz daraus machen, diesem großen Mann Ideen unterzuschieben, die ich mir selber ausgedacht habe? Zuerst mußt du wissen, daß Napoleon bis heute stets verkannt wurde. Im Grunde war er ein Poet und Mathematiker in einem. Als Poet hatte er phantastische Ideen; als Mathematiker entwickelte er seine Phantasien mit derart verblüffender Präzision und nüchternem Kalkül, daß es den Gemeinsinn der Dummen überstieg.“
    „Du hast zweifellos recht“, sagte Quaterquem, „aber nochmals: Wer hat dir denn die Pläne Napoleons anvertraut?“
    „Er selbst, lieber Freund, ja, er selbst, denn neben der Note, die er Daru diktiert hatte, existiert noch eine andere, geheimere und vollständigere, die er nicht der Hand eines Sekretärs überlassen wollte. Hier, lies selbst! Das ist die Depesche an Lascaris, seinen einzigen Vertrauten. Der schlecht informierte Lamartine hat geglaubt, daß Lascaris’ Papiere nach dessen Tod den Engländern in Kairo in die Hände gefallen wären. Der englische Konsul hat damals dieses Gerücht verbreitet, um Nachforschungen von vornherein auszuschließen; diese kostbaren Papiere jedoch existieren noch. Hier sind sie. Der sterbende Lascaris hatte einen Freund beauftragt, sie der französischen Regierung zu überbringen; aber dieser Freund wußte, daß er überwacht wurde, außerdem rechnete er mit einer Hinterlist von Mehmed Ali, dem Pascha von Ägypten. Er floh also nach Suez, schiffte sich ein, und da er nicht wußte, wem er das kostbare Stück anvertrauen sollte, steuerte er Indien an und übergab es Holkar persönlich.
    Die Depesche Napoleons ist so klar, so präzise und schmucklos abgefaßt, er hat alle möglichen Zwischenfälle, die dem Unternehmen zustoßen könnten, bedacht, daß man sie allein am Stil erkennen würde, wenn Unterschrift und Handschrift nicht den wahren Autor verraten würden.“
    „Und welchen Gebrauch willst du von Napoleons Plänen machen?“
    „Sie ausführen.“
    „Hast du einhundertzwanzigtausend Mann zur Verfügung wie er?“
    „Ich habe Indien, das scheinbar erschöpft am Boden liegt, aber wie eine Riesenschlange erwachen wird, bereit, sich auf seine Beute zu stürzen. Bedenke, daß ich in den Augen dieser armen Leute die elfte Inkarnation Wischnus bin. Seit zwei Jahren lassen Tausende von Brahmanen und Fakiren unter der Hand die Hindus wissen, daß Wischnu selbst Mensch geworden sei, um sie zu befreien. Man erfindet Legenden über mich. Man sagt – und ich lasse es zu, daß man es glaubt, denn es gibt nichts Nützlicheres als einen geheiligten Schwindel –, daß Kugeln an mir abprallen und Säbel sich verbiegen, wenn sie mich berühren. Zwei oder drei kritische Situationen, denen ich glücklich entkommen bin, haben meinen Ruf, übernatürlich zu sein, erhärtet. Du wirst in Bhagavapur ohne weiteres hundert Leute treffen, die schwören, mit ihren eigenen Augen gesehen zu haben, wie ich aus meinem Mund Flammen gespien und das Lager der Engländer in Brand gesetzt habe. Andere wollen miterlebt haben, wie ich mit meiner Reitpeitsche die ganze englische Kavallerie in die Flucht geschlagen habe. Je absurder diese Geschichten sind,

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