Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
noch nicht erklärt, kannte Generalmajor Barclay Corcoran zu gut, als daß er sich ausschließlich auf seine Wachen verlassen hätte.
Denn es war niemand anders als unser alter Freund, Colonel Barclay, der nach dem Sepoyaufstand zum Generalmajor befördert worden war, der wiederum die gegen Corcoran zu Felde ziehende englische Armee kommandierte.
Barclay hatte diese gefährliche Ehre durch außerordentliche Verdienste erworben. Niemand – außer General Havelock und Sir Colin Campbell – hatte mehr als er zur Niederschlagung des Sepoyaufstandes beigetragen. Niemand hatte außerdem, das muß gesagt werden, die Besiegten härter behandelt als er.
Er hängt sie, so schnell er kann , schrieb sein Stabschef an Lord Henry Braddock, und die Bäume auf seinem Weg haben mitunter weniger Früchte als Gehängte.
Alles in allem war er ja ein biederer, ehrlicher und solider Gentleman, der bloß etwas zu sehr davon überzeugt war, daß die Welt ausschließlich für Gentlemen gemacht ist, während der Rest der Menschheit den Gentlemen nur die Stiefel zu putzen hat.
Mitternacht war vorbei. Barclay, allein in seinem Zelt, war gerade im Begriff, sich auf seinem Feldbett schlafen zu legen. Er war mit sich sehr zufrieden. Gerade hatte er in seinem schönsten Hindistil eine Proklamation verfaßt, die dazu bestimmt war, in fünf Tagen den Marathen kundzutun, daß die englische Regierung in ihrer großen Weisheit beschlossen habe, sie vom Joch des Betrügers Corcoran zu befreien, der sich durch Diebstahl, Betrug und Totschlag Holkars Reich angeeignet habe. Nachdem er dieses beredte Schriftstück vollendet hatte, seufzte er laut auf.
Obwohl er noch nicht schlief, träumte er schon. Er träumte vom Oberhaus und von Westminster Abbey. Köstliche Träume!
Seine Vorkehrungen waren getroffen. Unter seinem Kommando hatte sich die schlagkräftigste Armee versammelt, die jemals in Hindustan gekämpft hatte. So listig und wendig Corcoran auch sein mochte, diesmal würde man ihn überraschen, denn man wollte sein Land ohne Kriegserklärung überfallen. Vielleicht war er sogar bereits tot – Barclay war über den Ausgang der Konspiration Doublefaces noch nicht unterrichtet –, wenn er die Grenzen überschritt, und mit welchem Feind würde man es dann wohl schon zu tun haben?
Am Sieg der englischen Waffen gab es demnach nicht den mindesten Zweifel.
Er würde also ohne nennenswerten Widerstand in Bhagavapur einziehen.
Er würde damit England ein Reich mehr bescheren können. Er würde in einem Namen mit Clive, Hastings und Wellesley genannt werden.
Sein Anteil an dem Fischzug würde also gewiß nicht weniger als drei Millionen Rupien betragen.
Nun, mit zwölf Millionen französischen Franc und dem Titel „Der Sieger von Bhagavapur“ müßte er notwendigerweise einen Sitz im Oberhaus und den Titel eines Marqueß bekommen. Um da ganz sicherzugehen, könnte man sich ja den Marqueßtitel einer Grafschaft kaufen.
Zufälligerweise war in der Grafschaft Kent, fünf Meilen von Dover entfernt, ein nagelneues Schloß, Oak Castle, zu verkaufen, das von einem Händler aus der Londoner City erbaut worden war, der allerdings in dem Moment bankrott ging, als er sich im Schatten der zahlreichen Eichen und Buchen von ebendiesen Geschäften erholen wollte. Oak Castle stand zum Verkauf. Und zu dem Schloß gehörten dreitausend Hektar Wald, Wiese und Felder.
John Barclay, Lord Andover, war auch nicht in der Verlegenheit, sein Schloß nicht bevölkern zu können. Dank einer Fügung des Himmels war Lady Andover (respektive Mistreß Barclay) mit einer außerordentlichen Fruchtbarkeit gesegnet – bis jetzt hatte sie vier Söhnen und sechs Töchtern das Leben geschenkt.
Der älteste Sohn, James, würde der künftige Lord Andover werden. Er diente bei den Horse Guards und gab seiner Mutter Anlaß zu den größten Hoffnungen, denn bis jetzt hatte er schon zweitausend Pfund Schulden gemacht. Die anderen drei Söhne…
Als Barclay gerade die Zukunft seiner anderen Söhne erträumen wollte, wurde er durch tumultartigen Lärm, der unweit seines Zeltes anhob, aus den süßen Phantastereien gerissen.
„Herr“, hörte er eine Stimme auf Hindi, „ich will den General sprechen!“
„Was willst du von ihm?“ fragte Barclays Adjutant.
„Herr, ich kann es nur dem General selbst sagen.“
„Dann komm morgen wieder.“
„Morgen!“ rief der Hindu entsetzt. „Morgen wird es zu spät sein!“
Er versuchte erneut das Zelt zu betreten. Barclay hörte wiederum
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