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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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hat wie wir – eher noch mehr –, das von der Jagd lebt, wartet ja stets auf eine Gelegenheit, um zuschnappen zu können… Und da es dieses Tier darüber hinaus nicht liebt, die Leute von vorn anzugreifen, springt es fast immer von hinten auf sie und meist in dem Moment, wo man es am wenigsten erwartet, und schleppt seine Beute in den Dschungel, wo es sie sich schmecken läßt.
    Nun, die Engländer, die sehr gescheite und sehr vorsichtige Menschen sind, wirkliche Gentlemen, die ihre eigene Haut für wertvoller halten als die aller anderen Individuen der Menschheit, die Engländer also haben sich ausgedacht, außer dem Führer des Elefanten noch einen armen Teufel rittlings auf den Dickhäuter zu setzen, wenn sie auf Jagd gehen oder spazierenreiten, der dem Tiger – falls er zufällig in der Gegend umherstreift – als Beute dienen soll; denn schließlich, so sagen sie sich, ist es nicht in Ordnung, wenn sich ein Gentleman in Positur setzt, um wie ein armer Teufel gefressen zu werden; hat nicht die göttliche Vorsehung die armen Teufel geschaffen, damit sie statt der Gentlemen gefressen werden? Ist das nicht bewundernswert vernünftig, lieber Freund, und wären Sie selbst nicht darüber entzückt, wenn der Junge hinter Ihnen statt Ihrer dem Tiger als Mahlzeit dienen würde?“
    „Verdammt noch mal, nein!“ erwiderte Corcoran, „und ich bitte Euch, ihn sofort von da oben herunterkommen zu lassen und auf kürzestem Weg nach Bhagavapur zurückzuschicken. Wenn ich irgend jemandem als Futter dienen soll, Mensch oder Tier, so hoffe ich, mich vorher wenigstens entsprechend zu verteidigen… Aber was bedeutet das?“
    Die Elefanten hatten mit einemmal ihre Rüssel emporgereckt, trompeteten schrill und zeigten zweifellos Anzeichen großer Furcht. Sogar die Führer gaben zu erkennen, daß sie ihrer nicht mehr Herr wurden.
    „Das bedeutet“, erwiderte Holkar, „daß nicht weit von uns im Dschungel etwas vorgeht, was wir noch nicht sehen, was aber sehr gefährlich sein muß, nach dem Entsetzen unserer Elefanten zu urteilen. Halten Sie sich bereit, Kapitän, und beobachten Sie genau Ihre Umgebung.“
    Im selben Moment bäumten sich die Pferde auf, mehrere Reiter der Eskorte wurden abgeworfen, die Elefanten ergriffen die Flucht, trotz der verzweifelten Anstrengung ihrer Führer.
    Die Ursache dieser Verwirrung war Louison. Sie preschte heran, übersprang die Gräben, die Büsche, das Dickicht mit der Geschwindigkeit einer unter Volldampf stehenden Lokomotive. Bei ihrem Anblick griff jeder augenblicklich zu den Waffen, um den Tiger zu erlegen, doch gelang es Corcoran, die Eskorte zu beruhigen.
    „Ruhig, keine Angst!“ rief er. „Es ist nur Louison… Mein Gott, Mademoiselle“, fügte er mit einem Blick, der streng wirken sollte, an sie gerichtet hinzu, „was macht Ihr denn hier?“ Louison antwortete natürlich nicht, bewegte aber ihren Schwanz in sehr beredter Manier.
    „Ja, ich ahne schon… Mademoiselle langweilen sich im Palast und wollen lieber ein Rhinozeros jagen… Na gut! Platz! Ich mag dieses schmeichlerische Getue nicht, wenn du einen Fehler gemacht hast…, nicht wahr? Also, dann komm mit, jage, aber sei friedlich und untersteh dich, jemanden zu erschrecken!“
    Von der Erlaubnis, an der Jagd teilzunehmen, und einem so günstigen Ausgang ihrer Eigenmächtigkeit entzückt, versäumte Louison nicht, für ihr überraschendes Auftauchen um Pardon zu bitten; bald darauf war sie zum Freund der ganzen Eskorte Holkars geworden – jedenfalls wagte niemand, ihr offen zu zeigen, daß man sie lieber tausendfünfhundert Meilen von Bhagavapur entfernt in einem soliden Käfig stecken gesehen haben würde.
    Kurze Zeit später verkündeten die Schreie der Treiber, daß man auf die Spur eines Rhinozeros’ gestoßen war und es bald auf einem Pfad aus dem Dschungel hervorbrechen würde, an dessen Einmündung sich mehrere Jäger aufgestellt hatten, unter ihnen auch Holkar und Kapitän Corcoran.
    Tatsächlich ließ das Wild auch nicht lange auf sich warten; es erschien, gefolgt von den Treibern, die es mit Steinen bewarfen, übrigens ohne ihm irgendwelchen Schaden zufügen zu können. Diese Steine, so groß sie auch sein mochten, prallten von seinem dicken Panzer ab wie Buletten von einem Gendarmenhelm. Es bewegte sich in leichtem Trab, ohne sich durch die Zahl seiner Feinde in irgendeiner Weise beunruhigt zu zeigen.
    „Achtung! Nehmt eure Plätze ein!“ schrie Holkar. „Es kommt! Die einzige Stelle, wo es tödlich zu

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