Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Reverenz erwiesen hatten, kehrten sie in den Palast zurück. Dort ließ sich Corcoran auf seinem Thron nieder, neben sich Holkars Tochter, vor sich die Abgeordneten des Volkes.
Lakman, der sich hinter den Jalousien seines Hauses versteckt hielt, sah das Gefolge vorbeiziehen und kochte vor Zorn. Die Zündschnur, durch die die Pulverfässer hochgehen und den König und das ganze Parlament in die Luft jagen würden, lag bereit. Er mußte sie nur noch anzünden; sie brauchte zehn Minuten, bis sie abgebrannt war, denn Lakman wollte nicht durch seine eigene Schuld umkommen. Neben ihm stand sein Komplize, ein unglücklicher Sklave, der es nicht gewagt hatte, seine Teilnahme an dem Verbrechen zu verweigern, aus Angst, von Lakman umgebracht zu werden.
Der Brahmane wartete noch eine Viertelstunde, damit die ganze Versammlung Zeit fände, in dem Palast Platz zu nehmen. Dann zündete er genüßlich die Zündschnur an.
23.
Schluß dieser herrlichen Geschichte
Während der Mörder letzte Hand an seine Vorbereitungen legte, erhob sich Corcoran von seinem Thron und begann mit fester Stimme seine Ansprache:
„Vertreter der glorreichen Nation der Marathen!
Wenn ich euch heute entgegen den Gepflogenheiten meiner königlichen Vorgänger hier habe zusammenrufen lassen, so deshalb, um die Macht, die mir der sterbende Holkar in meine Hände legte, da er mich als Sohn annahm, an euch zu übergeben.
Ich habe diesen Thron nicht gewünscht. Ich will mich nur mit eurem Einverständnis auf ihm niederlassen. Ich will nicht kraft meines Amtes, sondern nur durch eure freie, unabhängige Wahl regieren.“
(Bei diesen Worten schrien alle Vertreter: „Hoch Corcoran! Corcoran Sahib lebe ewig! Möge er über uns, unsere Kinder und Kindeskinder herrschen!“)
„Alle Menschen werden gleich und frei geboren; aber da ihre Kräfte nicht gleich sind, muß man ihnen manchmal beistehen; an den Königen ist es, den Schwachen zu helfen und die Starken zu lehren, daß sie die Gesetze achten. Das ist die Aufgabe, die ich zu erfüllen trachte. Ihr habt die Aufgabe, gerechte Gesetze zu machen und die Freiheit jedes einzelnen zu achten.
Meine Vorgänger haben mit Gewalt zweihunderttausend Soldaten ausgehoben. Ich will es ihnen nicht nachmachen. Ich will unter meinen Fahnen nur zehntausend Männer haben, alles freiwillige Soldaten. Das genügt, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber ich will die ganze Nation bewaffnen, damit sie ihre Freiheit gegen die Engländer verteidigen kann, doch auch gegen mich selbst, wenn ich meine Autorität mißbrauche.
Die Steuern beliefen sich bisher auf hundert Millionen Rupien im Jahr. Ihr werdet nächstes Jahr selbst sehen, auf welche Summe man sie herabsetzen kann. Ich werde aus Holkars Schatzkammern in diesem Jahr alle öffentlichen Ausgaben bezahlen. Das soll mein Geschenk an das Volk der Marathen anläßlich meines Regierungsantritts sein. Ich habe alles berechnet. Dreißig Millionen Rupien werden für die Bedürfnisse des Staates genügen.“
(Bei diesen Worten brach jedermann in Begeisterung aus. Die Deputierten weinten vor Ergriffenheit. Zu keiner Zeit und bei keiner Nation hatte man je erlebt, daß der König so viel für das Volk ausgab.)
Als sich der Beifallssturm etwas gelegt hatte, wollte Corcoran seine Rede fortsetzen. Da jedoch machte sich an der großen Eingangspforte zum Saal ein Tumult laut. Einige Volksvertreter waren verschreckt aufgesprungen und gestikulierten erregt.
Schon hatte sich Sugriva aufgemacht, um die Ursache des Durcheinanders zu erkunden, als in dem freien Raum, der sich gebildet hatte, die blutverschmierte Louison sichtbar wurde, die den leblosen Körper Lakmans im Maul schleppte und durch den Saal hinter sich herzog.
Bei ihrem Anblick schrien die Menschen auf, und selbst Corcoran war verblüfft. Louison legte den Brahmanen, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab, auf den Stufen des Thrones nieder und gab ihrem Herrn zu verstehen, daß er ihr folgen solle. Dann ging sie den Weg, den sie gekommen war, wieder zurück. Schon wurde in der Menge Gemurmel laut, daß man sie erschießen sollte, um den Tod des Zemindars zu rächen. Aber in Corcorans Gegenwart wagte niemand, laut etwas gegen die furchtbare Tigerin vorzubringen.
Louison führte Corcoran direkt zu dem Haus Lakmans, stieg ins Souterrain hinab, kroch durch den unterirdischen Gang zu dem Keller unter dem Palast, in dem die gewaltigen Pulverfässer lagerten. Im Keller entdeckte der Kapitän eine verschmorte Zündschnur
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