Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
schlafen. Lange fand er keinen Schlaf. Als er endlich doch einschlief, träumte er so wirr, daß er mehrmals schweißgebadet hochschreckte.
Eine am Morgen eingeleitete Suche nach Louison blieb ergebnislos. Die Tigerin war mit ihrem Gefährten in die Wälder gezogen und blieb verschwunden.
Doch man möge sich trösten. Die Freundschaft zwischen Corcoran und Louison endete nicht auf diese Weise. Das Schicksal sollte sie bald wieder – allerdings unter den heikelsten Umständen – zusammenführen.
Dasselbe Schicksal überhäufte übrigens einige Monate später Sita und Corcoran mit grenzenlosem Glück. Gott schenkte ihnen einen Sohn, der nach dem Gründer der Raghuidendynastie Rama genannt wurde und der genauso schön wie seine Mutter war. Die Freude der Marathen war unbeschreiblich; drei Tage feierte das ganze Volk das freudige Ereignis. Corcoran, sich gegenüber sparsam, anderen gegenüber dafür großzügig, trug allein die Kosten für die ganzen Feierlichkeiten und öffentlichen Belustigungen. Zum erstenmal sah man im Marathenreich einen Fürsten, der dem Volk Geld schenkte, anstatt es ihnen abzupressen. Diese Tatsache selbst ist so wunderbar, daß sie die Glaubwürdigkeit der wahrheitsgetreuen Geschichte um Kapitän Corcoran eigentlich in Zweifel ziehen könnte, wenn nicht fünfzehn Millionen Marathen leben würden, die Augen- und Ohrenzeugen der Ereignisse waren und die Großzügigkeit des Maharadschas bezeugen können. Außerdem ist die Beschreibung der Festlichkeiten in einem Korrespondentenbericht der Bombay Times vom 21. Oktober 1858 nachzulesen. Der Korrespondent schließt seinen Bericht mit folgenden Überlegungen, die treffend die Unruhe charakterisieren, die die Maximen einer derart neuen Regierungsform bei den englischen Zeitungen Indiens auslösten:
„Man kann nicht leugnen, daß der gegenwärtige Maharadscha, obwohl ausländischer Herkunft, bei den Marathen außerordentlich populär ist. Er hat den Steuersatz um fünf Zehntel gesenkt; er hat die Aushebung aller wehrfähigen Männer, die seine Vorgänger vornehmen ließen, abgeschafft. Seine Armee, die nicht sehr zahlreich ist und sich nur aus Freiwilligen rekrutiert, manövriert mit einer äußerst bewundernswerten Geschlossenheit und Schnelligkeit; er hat aus Frankreich hunderttausend gezogene Karabiner einschließlich Bajonetten kommen lassen. Seine Artillerie, ohne überragend zu sein, ist relativ leicht bestückt, aber dadurch in dem gebirgigen beziehungsweise Dschungelgelände der unseren weit überlegen, wie überhaupt die ganze Schlagkraft unserer Indienstreitkräfte durch die Nachlässigkeit, Schlampigkeit und Unfähigkeit Lord Braddocks und seiner Vorgänger in einem desolaten Zustand ist. Corcoran ist nicht nur ein geschickter General, wie er Colonel Barclay ja bewiesen hat, sondern auch der erste Soldat seiner Armee. Seine Untergebenen bezeigen ihm eine fast göttlich zu nennende Bewunderung. Die Hindus glauben, und er tut nichts, um ihnen diesen Glauben zu nehmen, daß sein Körper unverwundbar sei. Er hat nicht seinesgleichen. Auch wäre niemand kühn genug, sich mit ihm zu messen, sollte man Lust verspüren, gegen ihn zu konspirieren. Allein seine Peitsche läßt die Feinde zittern. Desungeachtet ist er freundlich, wohlwollend, großzügig mit jedermann, vor allem mit den Schwachen und Unterdrückten.
Wer ihn auch immer in seinem Palast besuchen will, kann es jederzeit tun, ohne daß die Bediensteten den Ankömmling zurückweisen oder befragen würden. Ein einziger Teil des Palastes ist verbotenes Terrain; ihn darf kein Gentleman betreten: Das sind die Gemächer der Fürstin; doch zeigt sich die Maharani Sita jeden Tag in der Öffentlichkeit, und das Volk vermag sie zu sehen und mit ihr zu sprechen. Ich selbst muß gestehen, daß ihre himmlische Schönheit und ihre Sanftmut, von denen man sich Wunderdinge erzählt, nicht wenig dazu beigetragen haben, die Popularität des Maharadschas zu erhöhen.
Sein Versuch einer parlamentarischen Regierungsform hat viel bessere Erfolge gezeitigt, als man sie bei einem Volk, das bis vor kurzem noch der härtesten Sklaverei unterworfen war, hätte vermuten können; seine Deputierten, wie er sie nennt, beginnen ihre Interessen zu begreifen und sie sehr geschickt zu vertreten. Er versucht niemanden zu beeinflussen; geduldig hört er jedem zu, der mit einem Anliegen oder Vorschlag zu ihm kommt, selbst den Dümmsten leiht er sein Ohr, denn, so sagte er einmal lachend zu einem französischen
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