Die Wunderheilerin
wirkten wie erstarrt.
Sie hob die Hände schützend vor das Gesicht und wimmerte: «Nicht, nicht. Fass mich nicht an! Der Teufel ist mit dir, ist mit euch allen. Luther hat uns den Teufel ins Haus gebracht. Nicht, nicht! Fass mich nicht an.»
Adam blieb stehen. «Eva», rief er sie leise an. «Eva, ich bin es, dein Bruder.»
«Geh, geh fort! Fass mich nicht an!»
Eva wich bis zur Wand zurück, sank dann hinunter auf den Boden, kauerte dort wie ein Kind im dunklen Wald.
«Geht fort, geht alle fort», wimmerte sie.
Hilflos standen die drei in der Küche.
«Wir können sie nicht allein lassen», sagte Priska hilflos. Schließlich, es waren quälende Minuten vergangen, sprach Johann von Schleußig: «Ich werde heute Nacht hier bleiben. Geht Ihr ruhig nach Hause. Ihr könnt hier nichts mehr tun.»
Priska fasste nach Adams Hand, froh über diese Entscheidung. «Komm!», sagte sie und zog ihn zur Tür.
Einundzwanzigstes Kapitel
Als Priska am Morgen erwachte, bemerkte sie sofort die Stille im Haus. Sonst war das Klappern der Wassereimer zu hören, der Gesang der Magd, das Knistern des Herdfeuers. Heute aber war alles still.
Totenstill.
Priska erschrak. Sofort fielen ihr Eva und Aurel ein. Sie stand auf und wollte hinunter in die Küche gehen, doch auf der Treppe hörte sie das Schlagen einer Tür im Wind. Unterm Dach stand die Tür zum Zimmer der Magd auf. Priska trat ein und sah, dass die Kleidertruhe leer war und sämtliche Habseligkeiten fehlten. Die Magd hatte, ohne ein Wort zu sagen, ihre Sachen gepackt und in aller Stille und Heimlichkeit das Haus verlassen.
Warum nur?, wunderte sich Priska. Sie hatte es doch gut bei uns, war immer bester Laune. Kopfschüttelnd ging sie in die Küche, nahm die beiden Eimer und machte sich auf den Weg zum städtischen Brunnen. Unterwegs traf sie die Gattin des Bäckers aus dem Thomasgässchen. Schon des Öfteren war die Frau bei ihr gewesen; sie hatte von Priska nicht nur sehr viel über ihren eigenen Körper erfahren, sondern war obendrein nach Jahren des vergeblichen Kinderwunsches schwanger geworden. Priska machte sich mit einem Lächeln bemerkbar: «Grüß EuchGott, Bäckerin. Wir sehen uns ja heute zur Vesperstunde, nicht wahr?»
Die Bäckerin blieb stehen, sah sich hastig nach allen Seiten um, dann kam sie ganz nah an Priska heran und raunte ihr zu: «Nein, Doktorsfrau, ich komme heute nicht und auch nicht morgen oder übermorgen. Ich komme gar nicht mehr. Mein Mann hat es mir verboten.»
Priska zog die Augenbrauen zusammen. «Warum das, Bäckerin? Hat ihm die Salbe letztens nicht geholfen?»
«Doch, doch, sein bestes Stück hat gestanden, als wäre es aus Eichenholz.» Die Bäckerin kicherte und schlug sich dann verschämt die Hand vor den Mund.
«Was ist dann?»
«Nun, man erzählt sich, dass der Doktor und Ihr zu den Lutherischen gehört. Mein Alter sagt, Ihr wärt mit dem Teufel im Bunde. Und gestern nun der Tod des Silberschmiedejungen. Das kann nur die Strafe Gottes dafür sein, dass Ihr Euch mit einem Ketzer sehen lasst.»
«Der Junge ist von einem Bauern erschlagen worden», erklärte Priska, doch die Bäckerin wischte den Einwand mit einer Handbewegung zur Seite. «Ob Bauer oder Söldner, das ist doch ganz gleichgültig. Schließlich habt Ihr Umgang mit dem Ketzer-Priester, nicht wahr?»
«Wen meint Ihr damit, Bäckerin?»
«Na, wen schon? Johann von Schleußig natürlich! Er war es, der diesen Martin Luther nach Leipzig gebracht hat. In seiner Kirche hat er zum ersten Mal vor Jahren schon gegen den Ablass gewettert.»
Priska schüttelte den Kopf. Sie hatte noch immer nicht verstanden. «Ihr kommt nicht mehr, weil wir uns für die neuen Lehren des Wittenbergers interessieren?»
Die Bäckerin nickte. «Deshalb und weil Ihr gegen den Papst seid. Wir sind einfache Leute und halten uns an das, was in der Schrift geschrieben steht.»
Die Bäckerin trat einen Schritt zurück. «Nehmt es mir nicht übel, Doktorin, Ihr seid ein nettes Frauchen. Aber mein Seelenheil will ich nicht gefährden.»
Damit wandte sie sich ab und stapfte schweren Schrittes die Gasse hinab.
Priska sah ihr nach, dann schüttelte sie den Kopf, nahm ihre Eimer und ging zum Brunnen.
Als sie ankam, verstummten die Gespräche. «Na, ist Euch die Magd davongelaufen?», rief schließlich ein abgerissenes Weib, mit dem sie Regina manchmal gesehen hatte. Priska antwortete nicht. Sie stellte sich als Letzte in die Reihe und wartete, bis sie am Brunnen war, doch immer wieder wurde sie von
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