Die Wunderheilerin
Baum, sodass es ausruhen und trinken konnte, und ging dann zu Fuß in das kleine Dorf.
Die wenigen Höfe lagen verstreut. Zumeist waren es Katen, aber auch einige Steinhäuser mit Nebengebäuden und Stallungen gab es. In der Mitte des Dorfes war ein kleiner Weiher. Priska wusste, dass die Karren im Sommer dort hindurchgefahren wurden.
Aber jetzt waren kein Karren, kein Mann, keine Maus zu sehen. Auch in den winzigen Gärtchen hinter den Katen arbeitete niemand. Eine ungemütliche Stille herrschte. Priska sah sich um. Dann lief sie zu einer Hütte, deren blau gestrichene Tür offen stand. «Ist hier jemand?», rief sie.
Nach einigen Augenblicken kam eine alte Frau angeschlurft. Das Haar hing ihr in einem dünnen grauen Zopf den Rücken hinunter. Ihr Gesicht war verwittert und von unzähligen Falten bedeckt, der Mund lächelte ihr zahnlos zu, die Augen aber blickten stumpf.
«Was kann ich für Euch tun, Herrin aus der Stadt?», fragte die Alte.
«Vor einigen Tagen gab es hier eine Schlacht, nicht wahr?»
Die Alte kicherte. «Ihr wart hier, ich habe Euch gesehen. Warum fragt Ihr nach Dingen, die Ihr selbst wisst?», fragte sie listig.
Priska lächelte verlegen. «Ja, Ihr habt Recht, ich war hier. Ein Junge ist bei dieser Schlacht zu Tode gekommen. Einer der Zuckelhausener Bauern hat ihn mit dem Dreschflegel erschlagen. Ein Unglück war es wohl, der Bauer wollte einen Söldner treffen. Der Junge war mein Neffe.»
«Ich weiß, ich weiß. Was aber wollt Ihr nun hier? Den Bauern vor das Gericht in der Stadt zerren? Das geht nicht, wir gehören nicht zum Besitz Herzog Georgs.»
«Fragen wollte ich, wo dieser Mann wohnt.»
«Weshalb?»
Die Alte kam vor die Tür und verschränkte ihre dürren Arme vor der flachen Brust. «Der Junge ist tot, der Bauer kann Euch keine Entschädigung zahlen. Er hat nichts als das nackte Leben. Und die Seligkeit hat er nun auch verwirkt.»
Priska seufzte. Sie musste der Frau wohl die Wahrheit erzählen, sonst erfuhr sie nichts.
«Nicht den Bauern suche ich, sondern die Mutter des Jungen. Sie ist verschwunden. Ich vermute, dass sie hierher gekommen ist, an den Ort, an dem ihr einziger Sohn sein Leben gelassen hat. Habt Ihr eine Frau gesehen, nicht mehr jung, noch nicht alt, ein wenig größer als ich und vornehm gekleidet?»
Die Alte kniff die Augen misstrauisch zusammen. «Niemanden habe ich gesehen. Keine Frau, keinen Mann, kein gar nichts.»
«Ich fürchte um den Verstand meiner Schwägerin. Sie muss zurück nach Hause. Ihr Bruder ist Arzt, er wird ihr helfen können. Sie ist verstört und irrt allein durch die Gegend. Wie schnell könnte sie das Opfer einer Räuberbande werden.»
«Ich werde die Augen aufhalten», erwiderte die Alte mürrisch.
Priska nickte und scharrte mit der Spitze ihres Lederschuhs auf dem staubigen Boden umher.
«Ist noch etwas?», fragte die Alte.
«Sie ist schon da, nicht wahr?»
Die Alte antwortete nicht, sondern knallte Priska die Tür vor der Nase zu.
Da wusste Priska, dass Eva bereits in Zuckelhausen angekommen war. Sie sah sich auf der Straße um. Wo sollte sie Eva suchen?
Langsam ging sie an jedem einzelnen der 27 Höfe vorbei. Ein Hund kläffte sie wütend an, ein Ferkel jagte im Schweinsgalopp über die Gasse, eine Katze lag träge in der Sonne.
Zwei kleine Kinder, halb nackt und staubig, spielten mit Stöcken im Straßendreck. «Habt ihr eine Frau gesehen, die nicht hier wohnt?», fragte sie.
Das eine Kind, ein Mädchen, wischte sich mit der Hand den Rotz von der Nase. «Meint Ihr die Prinzessin?»
Priska nickte langsam. «Ja, die Prinzessin mit der Asche auf dem Kleid.»
Das Mädchen überlegte, dann zeigte sie mit dem Finger zu einem nahen Wäldchen. «Dorthin ist sie gegangen. In den Wald hinein zu ihrem Königreich.»
«Gibt es dort eine Jagdhütte oder eine verlassene Kate?», fragte Priska.
Die Kinder sahen sich an und schüttelten die Köpfe. «Mutter sagt, dort wohnt die Moorfrau. Wir dürfen nicht in den Wald», erwiderte das Mädchen.
Priska strich ihr flüchtig über den Kopf, dann ging sie den schmalen Trampelpfad entlang, der zum Wald führte.
Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Priska schwitzte unter ihrer Haube, das Haar klebte ihr im Nacken. Sie vermied jeden Blick nach links oder rechts, denn noch immer waren die Reste der Schlacht über die Felder verstreut. Ein einzelner Stiefel lag da, ein Teil eines Schildes, ein zersplitterter Knüppel.
Hastig schritt sie aus und musste ein Würgen unterdrücken,
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