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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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anderen Frauen zur Seite gedrängt.
    «Haut ab hier!», beschimpfte sie eine. «Ihr Ketzer vergiftet womöglich noch die Brunnen. Wahrscheinlich seid ihr mit den Juden im Bund.»
    Eine andere aber, ein großes Weib mit breiten Hüften, packte Priskas Eimer und stellte sie auf den Brunnenrand. «In dieser Stadt hat jeder, der hier wohnt, ein Anrecht auf Wasser aus dem städtischen Brunnen. Dem Wasser ist es schließlich gleichgültig, ob es von den Lutherischen oder von den Papsttreuen getrunken wird.»
    Sie füllte die Eimer und reichte sie Priska mit einem Lächeln. «Wir sehen uns am nächsten Sonntag in der Kirche. Ich freue mich schon jetzt auf die Predigt des Priesters von Sankt Nikolai.»
    Zwei andere, die bisher geschwiegen hatten, stellten sich neben das Prachtweib und nickten Priska freundlich zu.
    «Und zum Begräbnis kommen wir auch. Sagt Eurer Schwägerin, dass es uns leid tut um ihren Jungen.»
    Dankbar nickte Priska, dann ging sie langsam zurück nach Hause. Auch auf dem Rückweg stellte sie fest, dass einige der alten Bekannten sie nicht mehr grüßten. Andere wiederum, mit denen sie noch nie etwas zu tun gehabt hatte, nickten ihr lächelnd zu, zwei Männer zogen sogar den Hut vor ihr und verbeugten sich.
    Als sie nach Hause kam, war Adam gerade damit beschäftigt, das Feuer zu schüren.
    «Wo ist die Magd?», fragte er und nahm ihr die beiden Wassereimer ab.
    Priska zuckte mit den Achseln. «Sie ist fortgelaufen.»
    «Warum das?»
    «Ich habe keine Ahnung. Vielleicht, weil sie uns zu den Lutherischen zählt. Manchen gelten wir als Ketzer. Die Bäckerin hat mir heute sogar abgesagt. Sie wird nicht mehr zu mir kommen, ihr Mann hat es ihr verboten.»
    Adam schüttelte den Kopf, doch er äußerte sich nicht weiter darüber.
    Priska zuckte die Achseln. «Wenn niemand mehr kommt, so werde ich wohl Zeit für das Essenmachen und das Putzen finden. Wenigstens so lange, bis wir eine neue Magd haben.»
    Plötzlich kam es ihr unsinnig, ja, fast unverständlich vor, wie sie hier mit ihrem Mann über die entlaufene Magd sprach, während Eva nur ein paar Häuser weiter vor Schmerz und Leid beinahe den Verstand verlor. «Gehst du zu ihr?», fragte sie ihren Mann.
    Adam nickte. «Ja, ich mache mich gleich auf den Weg. Und glaub mir, ich habe Angst davor.»
     
    Zur Beerdigung am nächsten Tag kamen viele Leipziger. Priska wunderte sich über die zahlreichen unbekannten Gesichter, und auch Adam wusste nicht, wer die Leute waren. Andere aber, die sie unter den Trauergästen erwartet hatte, waren ferngeblieben. Eva ging mit versteinertem Gesicht dem Trauerzug voran. Sie hatte Priskas und Adams Hilfe abgelehnt. Kein Wort hatte sie gesagt, sondern nur mit brennenden Augen geschaut und den Kopf geschüttelt.
    Auch Johann von Schleußig duldete sie nicht mehr in ihrer Nähe. Das Verwunderlichste aber war, dass die Lechnerin dicht hinter ihr ging.
    «Sieh nur, Adam, Ute ist gekommen», freute sich Priska. «So hat Eva wenigstens ihre Freundin zurück.»
    «Mach dir nichts vor, Priska. Die Lechnerin kam nicht als Freundin; sie kam als Papstgetreue. Das ist der Grund.»
    Der Sarg wurde nun langsam in die Grube hinuntergelassen. Priska hörte Eva aufschluchzen, und das Mitleid schnürte ihr beinahe das Herz ab. Sie presste Nora an sich. Plötzlich durchdrang ein schriller Schrei die Stille.
    Eva tobte, sie riss sich die Haube vom Kopf und schrie. «Geht fort, ihr Luthersöhne», schrie sie. «Verschwindet, ihr Dämonen.»
    Johann von Schleußig trat auf sie zu, wollte ihren Arm nehmen, sie beruhigen, doch schon war die Lechnerin an Evas Seite und verteidigte sie wie eine Wölfin ihr Junges. «Lasst sie!», fauchte sie. «Ihr habt gehört, was sie gesagt hat! Geht und verunreinigt das Grab dieses unschuldig Hingemeuchelten nicht.»
    «Sprecht nicht so, Lechnerin. Eva braucht Ruhe. Ihr solltet ihren Kummer nicht dazu benützen, sie gegen mich und ihre Familie aufzuwiegeln.»
    Er trat noch einen Schritt auf Eva zu, doch diese griff nach ihrem Gürtel, holte einen kleinen Dolch aus einer silbernen Scheide und richtete ihn auf den Priester.
    «Keinen Schritt näher, du Ungläubiger!», schrie sie ihn an und hielt das Messer drohend auf seine Brust gerichtet.
    Johann von Schleußig hob die Hände und entfernte sich Schritt für Schritt. Tränen der Verzweiflung und der Trauer liefen ihm über die Wangen.
     
    Auf dem Weg nach Hause fragte Priska Adam: «Wir gelten nun als Lutheraner, nicht wahr?»
    «Ja, so ist das wohl.»
    Adam sah

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