Die Wunderheilerin
sie ist. Eine Gauklerin, deren Planwagen am Waldrand stehen, hat heute Morgen von einer erzählt, die sich aufgehängt habe an einem Baum. Ich hoffe, dass es nicht Roswitha war, aber mein Herz weiß es besser. Isabell ist tot. Sie hat so geschrien, dass sie ihr die Kehle mit einem Messer aufgeschlitzt haben. Sabine und Margarete sind am besten davongekommen, wenn man davon überhaupt reden kann. Es ist alles so furchtbar!»
Die Herbergsmutter schlug wieder die Hände vor das Gesicht und weinte hemmungslos.
«Und Euch? Ist Euch nichts geschehen?», fragte Priska und strich der Frau beruhigend über den Arm.
Die Herbergsmutter schüttelte den Kopf. «Ich war gerade im Hof, als die Männer kamen. Zum Stadttor bin ich gelaufen, um Hilfe zu holen. Aber die Torwächter haben mich ausgelacht. «Was gehen uns die Huren an?», haben sie gefragt. «Scher dich weg, Alte, ehe wir einen Kübel Scheiße über dich schütten.»
«Ich brauche warmes Wasser», sagte Priska leise. «Ich möchte Margarete waschen. Auch Sabine braucht Hilfe.»
Die Frau weinte noch immer, zeigte aber mit dem Finger auf den Kessel, der über dem Herdfeuer hing. «Nehmt Euch, was Ihr braucht. Und seid sanft zu meinen Mädchen. Sie haben Schlimmes durchgemacht.»
Priska ging zum Kessel, schüttete Wasser in einen Zuber, gab kaltes hinzu. «Was werdet Ihr tun?», fragte sie.
«Weggehen werde ich. Was gestern passiert ist, kann wieder geschehen.»
Sie sah Priska mit brennenden Augen an. «Ich habe Angst. Angst vor den Lutherischen und Angst vor den Papsttreuen. Die, die gestern gekommen sind, haben Luther einen Ketzer genannt und das Hurenhaus einen Hort der Sünde und der Krankheit. Zucht und Ordnung wollten sie herstellen, haben sie geschrien.»
«Was waren das für Männer?»
Die Frau zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht. Junge Männer. Vielleicht von der Universität. Sie trugen Kapuzen, die das ganze Gesicht bedeckten. Ihre Gesichter habe ich nicht gesehen. Nur gehört, was sie geschrien haben: «Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes strafe ich dich, damit du auf den Pfad der Tugend zurückfindest.»
Priska hätte der Frau gern Trost zugesprochen, aber sie fand keine Worte. Sie nahm den schweren Zuber und wuchtete ihn die Treppe hinauf, schleppte ihn keuchend zu Margaretes Kammer.
«Steh auf, mein Herz», sagte sie sanft. «Ich habe dir einen Zuber gebracht. Steig hinein und wasche dich. Das wird dir gut tun. Danach wird der Doktor deine Wunden besehen.»
Das Mädchen streifte sich schweigend ihr zerrissenes und besudeltes Kleid vom Körper und ließ sich in das warme Wasser sinken. Als Priska ihren nackten Körper sah, wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen. Der Leib war nicht nur mit zahlreichen blauen Flecken bedeckt, nein. Das Allerschlimmste war die geritzte Wunde, die sich über beide Brüste zog.
«Hure», hatte jemand mit einem Messer in Margaretes Haut geschrieben.
Behutsam half Priska ihr beim Waschen, tupfte vorsichtig die Wunden sauber, wusch ihr das lange, braune Haar. Sie holte ein sauberes Kleid aus einer einfachen Truhe und setzte das Mädchen, das alles wie im Schlaf mit sich geschehen ließ, auf den Bettrand.
«Ich hole jetzt den Doktor», sagte Priska.
Margarete schüttelte heftig den Kopf; in ihren Augen war die nackte Angst zu sehen.
«Du musst dich nicht fürchten; du kennst ihn doch. Er kommt seit Jahren hierher, er ist mein Mann.»
Wieder schüttelte das Mädchen so heftig den Kopf, dass die Haare um ihr Gesicht schlugen wie sanfte Peitschen.
Priska verstand. «Gut», sagte sie. «Dann werde ich sehen, was sie dir angetan haben.»
Sie schob das Mädchen auf das Bett, spreizte ihr die Beine – und musste einen Aufschrei unterdrücken.
«Es war die Axt, die dich so verletzt hat, nicht wahr?», fragte sie.
Margarete antwortete nicht, drehte nur den Kopf zur Seite. Priska machte ihr einen Umschlag aus heilender Ringelblumensalbe. Die Verletzungen im Schoß Margaretes würden bald abgeheilt sein. Doch wie sollte sie dieses schreckliche Erlebnis jemals vergessen können?
Ruhe, dachte Priska. Sie brauchte jetzt Ruhe und gute Pflege. Am besten von Frauen.
«Was willst du jetzt tun?», fragte sie.
Margarete begann erneut zu wimmern. Sie krümmte sich auf dem Bett zusammen, drehte den Kopf zur Wand und schien niemals wieder aufstehen zu wollen.
Plötzlich fiel Priska etwas ein. «Ich weiß, wo ich dich hinbringen kann. Noch heute. Du kommst in gute Hände, das verspreche ich
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