Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
Beruhigungstränke, Salben, Stoffstreifen aus Leinen, aber auch Butter und Wein und stürzte mit Adam aus dem Haus. Sie hatte Mühe, seinen weit ausholenden Schritten zu folgen. Am Stadttor drängten sich die beiden rücksichtslos an den Wartenden vorbei, grüßten die Torwachen nur knapp und hasteten weiter.
    Schon von außen sahen sie, dass hier mit Gewalt vorgegangen worden war. Die hölzernen Läden hingen schief in den Angeln. Die Wäsche, die üblicherweise auf der Leine neben dem Haus hing, war auf den Boden geworfen und zerrissen worden. Sogar die Haustür hatte einen klaffenden Riss, als wäre eine Axt in sie hineingetrieben worden. Doch das war nicht das Schlimmste. Das war die beängstigende Stille. Kein Lied und kein Laut waren zu hören.
    «Oh, mein Gott», flüsterte Priska und schlug die Hand vor den Mund. Sie hatte Angst, in das Haus hineinzugehen. Was war wohl mit Margarete geschehen? Sie machte sich Vorwürfe. Ich hätte sie hier wegholen müssen, dachte sie und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen.
    «Komm! Wo bleibst du denn? Drinnen wirst du gebraucht», erinnerte sie Adam und gab ihr einen leichten Schubs.
    Priska stolperte vorwärts. Als sie das Haus betreten hatte, hörte sie leises Weinen, Wimmern und Schluchzen.
    Die Holzbänke und Tische waren umgestoßen, Kleiderfetzen,Holzstücke und Geschirrsplitter bedeckten den Boden. Nahe der Tür, die zu den Zimmern im ersten Geschoss führte, war eine Lache getrockneten Blutes zu sehen.
    Auf dem Boden aber kauerte die Herbergsmutter, schüttelte den Kopf und murmelte dabei vor sich hin: «Diese Schweine, diese Schweine.»
    Adam trat auf sie zu und legte der Frau eine Hand auf die Schulter. Sie schrak zusammen und begann zu schreien.
    «Ruhig, ganz ruhig. Ich bin es, Dr.   Kopper.»
    Die Frau hörte auf zu schreien, doch in ihren Augen las Priska Entsetzen.
    «Was ist geschehen? Wo sind die anderen?»
    Die Dirnenmutter begann zu weinen. «Männer sind in der Nacht gekommen. Sie haben die Tür aufgebrochen, alles kurz und klein geschlagen und sind in die Kammern der Mädchen eingedrungen.
    «Wo sind die Mädchen?»
    Die Frau zuckte die Achseln. «Zwei sind davongelaufen, haben sich retten können. Ich hoffe, sie kommen nicht wieder. Isabell ist tot. Einer hat ihr die Kehle durchgeschnitten. Sie liegt noch oben. Und die anderen   …?»
    Sie schlug die Hände vor das Gesicht und weinte zum Gotterbarmen.
    Priska bahnte sich einen Weg durch die Wirtsstube und rannte die wackelige Treppe hinauf. «Margarete!», rief sie. «Margarete, wo bist du?»
    Sie hörte keine Antwort.
    Die Tür von Margaretes Kammer war geschlossen. Priska klopfte, als niemand ihr antwortete, ging sie hinein.
    Margarete kauerte auf dem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Die Decken und Kissen waren zerrissen, überalllag das herausquellende Stroh herum. Auch in Margaretes Haar war es zu finden.
    Behutsam setzte sich Priska auf den Bettrand. Das Mädchen rührte sich noch immer nicht. Nur am Heben und Senken der Schultern erkannte Priska, dass sie noch lebte. «Margarete, sag doch was», bat Priska leise, doch das Mädchen blieb so steif liegen, als bemerke sie nicht, was um sie herum geschah.
    Langsam strich Priska über ihren Rücken. Plötzlich bebte der Körper, und Margarete begann zu weinen. Priska zog sie in ihre Arme, wiegte sie hin und her, pustete über ihr Haar, strich über ihren Rücken.
    Nach einer ganzen Weile erst ebbte das Schluchzen ab.
    «Was ist dir passiert?», fragte Priska. «Was hat man dir und den anderen angetan?»
    Margarete sah Priska mit großen leeren Augen an. Ihre Lippen zitterten, doch kein Wort kam aus ihrem Mund.
    Priska presste die Schwester an sich.
    «Was haben sie mit dir gemacht?», fragte sie wieder.
    Margarete schwieg, sah Priska nur mit diesem unglaublich wissenden und zugleich verlorenen Blick an.
    «Tut dir etwas weh?»
    Wieder Schweigen.
    Priska stand auf, ging nach unten und traf dort die Herbergsmutter. «Was hat man den Mädchen angetan?», fragte sie.
    Auch die Frau schwieg, kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Priska legte ihre Hände auf deren Schultern. «Ihr müsst mir sagen, was passiert ist, sonst können wir euch nicht helfen.»
    «Niemand kann uns helfen.»
    «Rede!»
    «Sie sind vergewaltigt worden. Alle, die da waren. Aber nicht nur einmal. Die Männer waren zu acht. Zum Schluss haben sie Axtstiele benutzt. Roswitha ist verrückt geworden darüber. Sie ist nackt in den Wald gelaufen. Ich weiß nicht, wo

Weitere Kostenlose Bücher