Die Wunderheilerin
Namen Luthers werde ich nicht mehr erwähnen.»
Einer der Professoren räusperte sich. «Ich habe gehört, dass sich mancherorts die Klöster auflösen, als wären sie in Säure gebadet. Die Mönche und Nonnen entlaufen scharenweise und wollen nach dem wahren Glauben leben. Ich bin mir nicht sicher, ob das rechtens ist.»
«Was heißt hier rechtens? Wie viele der Nonnen und Mönche sind gezwungen worden, ins Kloster zu gehen? Nun wollen sie aus freien Stücken entscheiden, wie sie leben wollen», entgegnete Priska. Dabei dachte sie: So wie ich niemals entscheiden durfte. Aber vielleicht bringt auch mir die neue Zeit diese Freiheit.
«Wie seid Ihr eigentlich zum geistlichen Stand gekommen?», fragte Adam leise.
Der Priester lächelte. «Meinem Vater gehörte das Gut Schleußig vor den Toren der Stadt. Ich bin der zweite Sohn. Nun, das Gut ist nicht besonders groß. Schlecht wäre es gewesen, es zu teilen. Also wurde ich in ein Kloster geschickt. Dort habe ich Theologie studiert und die Weihen empfangen.»
«Auch Ihr lebt also ein Leben, das Ihr nicht frei gewählt habt?», fragte Priska nach.
Wieder lächelte der Priester. «Ich habe mein LebenGott geweiht. Das ist nicht die schlechteste Wahl. Ich darf Seelsorge betreiben. Das habe ich immer gewollt. Auch, wenn mir ansonsten manches fehlt.»
Er senkte die Stimme, sah vor sich auf den Tisch. «Kinder hätte ich gern gehabt. Aurel war mir wie ein Sohn. Es ist schrecklich, jemanden zu verlieren, den man liebt.»
Priska sah ihn aufmerksam an und begriff, dass er litt. Er wollte Eva lieben. Aus ganzem Herzen. Doch er durfte nicht. Sein Leben war Gott geweiht. Aber wenn die Nonnen und Mönche aus den Klöstern flohen, dann gab es vielleicht auch für ihn eine Möglichkeit, die Kutte abzulegen?
Womöglich, dachte Priska, braucht er nur einen Grund. Aber er denkt ja, dass Eva nicht mehr da ist.
Sie überlegte lange, doch dann ging sie nach der Sitzung zu ihm. «Ich weiß, wo Eva ist», sagte sie. «Wenn Ihr Euch entscheiden könntet, sie ebenso zu lieben, wie Ihr Gott liebt, so werde ich Euch sagen, wo Ihr sie findet.»
Dann drehte sie sich um und lief, ohne auf die Rufe des Priesters zu achten, davon.
Am nächsten Morgen wurde Priska vom Lärm auf der Straße geweckt. Sie öffnete die hölzernen Läden und beugte sich, nur ein Tuch über dem dünnen Nachtkleid, hinaus.
«Was ist los?», rief sie einem Lehrjungen zu, der mit erhitzten Wangen die Gasse entlangeilte.
«Ein Überfall auf das Hurenhaus», brüllte er zurück und verschwand um die nächste Ecke.
Die Nachbarin gegenüber hatte ebenfalls das Fenster aufgerissen. «Das geschieht den Dirnen recht», keifte sie und sah Beifall heischend zu Priska. «Nur durch diese Weiberist die Franzosenkrankheit in die Stadt gekommen. Die Sünde haben sie zu uns gebracht. Es ist nur gut und billig, dass sie nun alle tot sind.»
«Sie sind tot?», rief Priska und erschrak bis ins Mark.
«Ich hoffe es», plärrte die Frau zurück. «Es wird Zeit, dass der Rat Ordnung schafft. Die Lutherischen und die Dirnen, das sind die Geißeln unserer Tage. Früher, ja, früher, da herrschten noch Zucht und Ordnung. Da wurde von der Kanzel die Tugend gepredigt, und jeder hielt sich daran. Aber heute?
Seht Euch die Weiber doch an! Mit roter Paste bestreichen sie ihre Wangen und wackeln mit den Ärschen, dass den Männern der Sabber aus dem Maul rinnt. Und die Lutherischen hetzen gegen den Ablass. Wie soll ein anständiger Mensch sonst Reue zeigen? Zeit wurde es, dass Gott, der Herr, ein Zeichen sendet.»
«Was genau ist denn passiert?», fragte Priska und hatte Mühe, sich zu beherrschen.
«Ein paar beherzte Männer haben sich die losen Weiber vorgenommen und ihnen gezeigt, wie anständige Frauen sich zu benehmen haben.»
«Welche Männer?»
«Aufrechte Burschen. Handwerker oder Scholaren, was weiß ich denn?»
Priska hatte genug gehört. Ihr war plötzlich speiübel. Sie musste an Margarete denken. Hoffentlich war ihr nichts passiert. Sie schlüpfte in ihre Kleider, dann eilte sie zu Adams Kammer und hämmerte mit den Fäusten an die Tür.
«Adam! Du musst aufstehen, im Hurenhaus ist etwas Schreckliches geschehen.»
Sie hörte, wie Adam aus dem Bett sprang. Wenig später stand er vor ihr, hatte sich ebenfalls nur das erstbeste Hemd und Wams übergeworfen.
Er eilte an ihr vorbei die Treppen hinunter. «Wir müssen Verbandszeug holen», rief er. «Pack alles in einen Korb, was du finden kannst.»
Priska holte
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