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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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schütze uns alle. Befreie Regina vom Dämon der Rache. Lass nicht zu, dass sie uns alle ins Unglück stürzt, weil sie nicht in Mandelmilch baden kann. Schütze auchPriska, oh, süßer Herrgott. Gib ihr die Kraft, den Sündigsten aller Sünder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
    Und du, heilige Maria, Mutter aller Mütter, halt deine Hand über die Meisterin und ihren Sohn, dem der Tod in die Wiege gelegt ward. Halte deine Hand über dieses Haus der Sünder, vergib ihnen ihre Schuld, wie auch sie vergeben müssen den Schuldigen.»
    Vor lauter Inbrunst fiel sie auf die Knie. Ihre Augen waren geschlossen, den Rosenkranz hielt sie so fest zwischen den Fingern, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. «Lieber Gott, Allmächtiger Herr, ich bitte für dieses Haus. Vertreibe die bösen Mächte von hier. Beschütze mich, deine Tochter, die niemals etwas Böses getan oder gewollt hat. Weder in Worten noch in Taten. Hole mich hier weg vom Hort des Unglücks und   …»
    Plötzlich sprang Eva auf. Der Stuhl fiel hinter ihr zu Boden. Sie stürzte zu Bärbe, holte aus und versetzte der Magd eine so schallende Ohrfeige, dass diese aufheulend nach hinten fiel, den Rosenkranz noch immer in den nach oben gereckten Händen. «Komm, Herr, schütze uns», kreischte Bärbe wie eine Irrsinnige. «Lass nicht zu, dass der Dämon des Hauses auf meine Seele übergreift, bewahre mich vor dem Gift, welches in den Herzen der anderen wohnt.»
    Wieder holte Eva aus, und eine zweite Maulschelle klatschte in das Gesicht der Magd. Das Weib schrie nun, als würde es am Spieß stecken. Eva nahm den gefüllten Wassereimer, der neben der Kochstelle stand, und goss ihn Bärbe schwungvoll ins Gesicht.
    Die Magd schüttelte sich, saß mit tropfendem Haar und klatschnassen Röcken auf dem Küchenboden und hielt noch immer den Rosenkranz in den Händen.
    «Steh auf, Weib, und wisch das Wasser weg», herrschte Eva sie an. «Wenn du hier nicht mehr bleiben willst, kannst du dein Bündel schnüren und gehen. Eine Magd wie dich finde ich an jeder Straßenecke.»
    Die Magd schüttelte sich noch einmal, dann seufzte sie, rappelte sich auf die Knie und wischte mit dem Kleid den Boden auf.
    Der Feuerknecht aber, der alles mit großen Augen angesehen hatte, stand auf, räusperte sich und murmelte leise vor sich hin: «Zeit wird es, dass ein Mann in dieses Haus kommt und das Zepter schwingt. Es ist nicht gut, wenn zu viele Weiber beieinander sind. Wo viele Weiber sind, da hat der Teufel ein Zuhause.»
    Eva aber straffte die Schultern und verließ die Küche.

Siebtes Kapitel
    Die Sonne sandte heiße Strahlen an diesem Junitag auf die Erde. In der Nacht noch hatte es geregnet. Jetzt dampften die gepflasterten Gassen, und die kleine Hochzeitsgesellschaft watete wie durch einen Nebel.
    Der Weg von der Hainstraße über den Markt, ein Stück die Grimmaische entlang und schließlich zum Nikolaikirchhof, war mit Neugierigen gesäumt.
    Gewöhnlich begleitete Jubel die Brautpaare zur Kirche. Doch dieses Mal wurde keine Mütze in die Luft geworfen, keine Blume über den Weg gestreut, kein guter Wunsch Adam und Priska hinterhergerufen.
    Stumm ging der klägliche Zug, angeführt von einer blassen Braut, die unter der roten Paste, die sie sich ungeschickt auf Wangen und Mund gestrichen hatte, wie eine Jahrmarktsgauklerin ausschaute. Der Bräutigam ging mit leerem Blick und starrem Lächeln neben ihr, stolperte durch die Gassen, als kenne er seine Füße nicht.
    Eva grüßte lauthals nach allen Seiten, forderte mit starrem Blick den Gegengruß heraus.
    Als sie am Zunfthaus der Goldschmiede vorübergingen, warf Eva den Kopf trotzig in den Nacken und stimmte ein Lied an. Die Zunft hatte niemanden geschickt, der den Brautzug begleitete. Ausgestoßene waren sie, aber gehörtwerden wollten sie. Eva sang so laut sie konnte, brüllte durch das offene Fenster direkt ins Zunfthaus hinein.
    Priska hatte Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Evas Gesang machte alles noch viel schlimmer. Die Stille der anderen dröhnte in ihren Ohren, wurde durch Evas Lied erst recht unerträglich.
    Auch die Professoren der Universität kamen nicht zur Hochzeit ihres Studiosus Medicus. Nur die Lechnerin reihte sich mit ihrem Mann hinter Eva, Regina und dem Feuerknecht ein.
    Als sie die Kirche erreicht hatten, atmeten alle auf. Johann von Schleußig erwartete sie, führte Priska nach vorn zum Altar, während Eva den Bruder brachte.
    Der Priester sprach die Formel, das Ehegelöbnis. Braut und

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