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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wollte nicht das kennen lernen, was die anderen die Wollust nannten und worüber sie kichernd hinter vorgehaltener Hand schwatzten. Mit kühlen Blicken maß sie Regina, die immer noch vor ihr stand und die Hände rang. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Mitleid mit der Schwester.
    «Geh!», sagte sie. «Geh hinunter in die Werkstatt. Dort wirst du gebraucht. Die Meisterin ist noch ein wenig schwach von der Geburt. Ich aber muss mich vorbereiten für die Hochzeit.»
     
    Am Abend, nachdem die Silberschmiedin das Kind gestillt hatte, saßen sie in der Küche beim Mahl. Eva wirkte erschöpft und resolut zugleich.
    «Der Innungsmeister der Gold- und Silberschmiedezunft war heute bei mir», begann sie. «Er hat die Werkstatt aus der Zunft gestoßen, solange kein Meister da ist.»
    «Das ist nicht rechtens», begehrte der Feuerknecht auf. «Der Meister ist erst gut drei Monate fort. Eine Reise nach Italien braucht seine Zeit.»
    «Nun, er hat Erkundigungen eingezogen, sagt er. Zur Fastenmesse hat er die Händler aus Italien nach dem Meister und Susanne gefragt. Er weiß nun, dass die beiden nicht in Florenz sind. In den Zunftregeln steht geschrieben, dass eine Frau keine Silberschmiede führen darf. Ich aber hatte mich ohnehin entschlossen, die Werkstatt zu schließen.»
    «Und nun? Was geschieht nun?», fragte Regina leise.
    Eva lächelte ohne Bitterkeit. «Ich werde die Werkstattaufgeben. Meine Anteile an den Silberbergwerken im Erzgebirgischen reichen für ein gutes Leben.»
    «Ja, ja, aber was wird mit mir?», fragte Regina.
    Eva lächelte immer noch. Sie sah Regina an, als sei sie eine Fremde. «Die Zunft verweigert euch beiden die Gesellenbriefe, weil der Meister fehlt und ihr keine Männer seid. Oder dachtest du etwa, du könntest allein auf Wanderschaft gehen? Keine ehrbare Herberge würde dich aufnehmen, kein Meister dich anstellen. Priska hat einen Bräutigam, du aber wirst dich ebenfalls verheiraten müssen. Der Feuerknecht, Dietmar, würde dich nehmen. Für sein Auskommen ist gesorgt; er wird in einer anderen Werkstatt arbeiten. Der neue Meister ist mit der Heirat einverstanden, wenn du in seinem Hause als Magd arbeitest. Nun, wenn du dich geschickt anstellst, kann es durchaus sein, dass auch du hin und wieder in der Goldschmiedewerkstatt mithelfen kannst.»
    Regina streifte den Feuerknecht, der errötet war und ihr zaghaft zulächelte, mit einem wütenden Blick. «Das könnt Ihr nicht machen», sagte sie.
    «Doch», erwiderte Eva. «Das kann ich, und das weißt du auch. Priska und du, ihr seid meine Mündel. Ich bin verpflichtet, für euch zu sorgen. Gehst du nicht mit Dietmar, so kannst du dein Bündel packen und deiner Wege gehen. Meine Aufgabe als Vormund ist erfüllt.»
    In Evas Gesicht stand Genugtuung. Der Feuerknecht, der wohl gut 20   Jahre älter war als Regina und zudem nur noch einen einzigen Zahn im Mund hatte, war die Strafe dafür, dass Regina in Adam einen Verdammten sah, den sie nicht hatte heiraten wollen.
    Alle am Tisch sahen zu Regina. Ihr Gesicht war rot geworden.Auf ihrer Stirn hatte sich eine dicke blaue Ader gebildet. Ihre grauen Augen sprühten Funken.
    «Gut», sagte sie schließlich langsam und betonte das U dabei. «Guuut, ich werde tun, was Ihr verlangt. Aber ich sage Euch, Ihr werdet es bereuen.»
    Die Silberschmiedin zuckte gleichgültig mit den Achseln. In ihrem Gesicht stand noch immer dieses merkwürdige, neue Lächeln, das nicht frei von Bosheit oder Häme war.
    «Solltest du uns Ärger machen, Regina, so sei sicher, dass wir uns unserer Haut zu wehren wissen», erwiderte sie mit fester Stimme. «Vergiss nie, dass du zwar nun in der Stadt wohnst, aber den Geruch der Vorstadt, den Gestank der unehrlichen Leute noch in den Kleidern trägst. Was immer du sagst, mein Wort wird schwerer wiegen als deines.»
    Priska sah, wie Regina bei diesen Sätzen erstarrte. Ihre Arme hingen steif wie Stöcke neben ihrem Körper. Einzig der Busen, der unter dem Brusttuch wogte, verriet, was in ihr vorging.
    Eva lehnte sich zurück, trank in großen Schlucken vom Würzwein, der Feuerknecht strich mit einer Hand über sein Wams. Die andere Hand kroch über den Tisch, um nach Regina zu fassen, doch der Blick, den sie ihm zuwarf, ließ ihn zurückfahren.
    Niemand hatte auf Bärbe geachtet, die die ganze Zeit geschwiegen hatte. Doch nun hob die Magd die Hände, hielt schon wieder den Rosenkranz und begann laut zu beten: «Liebster Herr, süßer Jesus, halte deine Hand über dieses Haus und

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